Marktsentiment: DAX-Bären konvertieren zur Unzeit

Zusammenfassung der Analyse

Abschied von der Short-Seite: Die Marktstimmung hat sich eindeutig verbessert, denn die heutige Befragung der 900 aktiven Investoren ergab einen Bull/Bear-Index von 58,9 Punkten für professionelle wie private Investoren und damit eindeutig auf der bullishen Seite. Dieser Stimmungswandel entstand allerdings weniger durch Aktienkäufe der Anleger, sondern durch Verkäufe von Short-Positionen. 6 Prozent der Profis und 8 Prozent der Privaten haben ihre skeptische Haltung aufgegeben.

Gianni Hirschmüller interpretiert diese Bewegung rein preisgetrieben. Nach richtig schlechten Monaten für Bären auf der Short-Seite würden diese jetzt nach und nach aufgeben – zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt angesichts des düster werdenden Konjunkturausblicks. Außerdem sei die Reserve potentieller Käufer nun zunehmend aufgebraucht, was den Markt risikoanfällig macht.

Bei den Einzelwerten nimmt die Deutsche Post eine Favoritenrolle ein. Gründe hierfür sind vor allem der jüngste Kursverfall und die Aufnahme in den Euro Stoxx 50.

Bull/Bear-Index: 58,9 Punkte

Vorwoche: 54,4 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

9. Oktober 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Wer hätte das gedacht? Die institutionellen Investoren entdecken deutsche Aktien wieder. Bereits die zweite Woche in Folge hat sich die Zuversicht der Anleger aufgehellt – und dies recht deutlich. Unser Bull/Bear-Index stieg auf das höchste Niveau seit Mitte Juli und notiert jetzt deutlich über seinem Jahresdurchschnitt. Man muss nicht lange überlegen oder die Schlagzeilen der vergangenen beiden Wochen durchforsten, um zu begreifen, dass der jüngste optimistische Schub nicht ein Ergebnis einer verheißungsvollen Nachrichtenlage ist. Die neuen Bullen haben rein preisgetrieben entschieden.

Hätte man Investoren in den vergangenen Jahren damit gedroht, sie würden mit Ereignissen wie einem heftig tobenden US-Haushaltsstreit konfrontiert, in dem sogar das US-Finanzministerium vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit warnt, die auch noch ausgerechnet mitten im Crash-Monat Oktober eintreten würde – Aktienanleger hätten wahrscheinlich Reißaus genommen.

Demoralisierte Bären denken um

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Ganz offensichtlich haben Akteure derzeit aber eine ganz andere Sicht der Dinge. Und dies aus gutem Grund: 2013 war bislang nicht das Jahr der Pessimisten. Über Monate zählten Aktienmarktskeptiker einen Grund nach dem anderen auf, um ihre Untergewichtung zu rechtfertigen. Egal, ob es um den Ausstieg aus der ultralockeren US-Geldpolitik, den Syrien-Konflikt, das schwache chinesische Wachstum oder die Währungskrise der Schwellenländer ging. Es kam immer auf eines hinaus: Bloß die Aktienquote im Depot gering halten oder gar short gehen. Manchmal schreckte die Anleger aber allein schon die Nähe des DAX zu seinem Allzeithoch vor einem Engagement ab. Zuletzt sind Pessimisten von der US-Notenbank in die Knie gezwungen worden, als diese die von allen erwartete Tapering-Aktion abblies. Seitdem ist zu beobachten gewesen, dass zahlreiche von der Börse Frankfurt befragte Institutionelle ihre Strategie änderten und kurzfristige Rückschläge im DAX zum Einstieg nutzten. Aus völlig entmutigten Bären sind nun sehr mutige Bullen geworden. Ein Verhalten, das die separat befragten Privatanleger in den vergangenen drei Erhebungen ebenfalls an den Tag legten. Beide Stimmungsbarometer liegen nun gleichauf und notieren bei 58,9 Punkten.

Es ist womöglich der seit Jahren denkbar schlechteste Zeitpunkt, um einen radikalen Meinungswechsel von bearish auf bullish zu vollziehen. Gerade jetzt, wo beispielsweise der Finanzinformationsdienst FactSet darauf aufmerksam macht, dass die Vorausschau auf die US-Quartalsergebnisse so negativ ausfällt, wie seit Beginn der Datenaufzeichnung im Jahre 2006 nicht mehr. Für Deutschland verabschieden sich zudem immer mehr Prognoseinstitute, wie beispielsweise das IW Köln oder der BGA, von ihren positiven Wachstumsaussichten. Auch die Weltwirtschaft steht in trübem Licht. Gerade hat der IWF die sechste Senkung seiner globalen Wachstumsprognose in Folge bekanntgegeben.

Trotz alledem ließen sich Aktieninvestoren durch nichts abschrecken. Sie kauften munter ein. Der Nachfragepuffer der die ganze Zeit durch einen überproportional hohen Bärenanteil gegeben war, ist nun weitestgehend aufgebraucht. Wenn nun irgendein Risikoereignis, seien es nun Gewinneinbrüche der Unternehmen oder, im schlimmsten Fall, gar der Zahlungsausfall der USA auf die Finanzmärkte treffen, sind deutsche Aktienanleger denkbar schlecht darauf vorbereitet.

von Gianni Hirschmüller, cognitrend
© 9. Oktober 2013

  Bullish Bearish Neutral
Total 44 % 28 % 28 %
ggü. letzter Erhebung +2 % -6 % +4 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (9. Oktober): 8.550 Punkte (-0,12 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 58,9 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 50 % 33 % 17 %
ggü. letzter Erhebung +6 % -8 % +2 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (9. Oktober): 8.550 Punkte (-0,12 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 58,9 Punkte

Weiterführende Links

Eindeckungsaktion der Bären hinterlässt Nachfrageloch

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Hirschmüller

Das Bärenlager war in den vergangenen Monaten meist prall gefüllt und hat deshalb bislang immer eine Stütze für den deutschen Aktienmarkt dargestellt, auf die Verlass war. Ist der Markt ein bisschen gefallen oder hat er, wie im Frühsommer, auch mal stärker korrigiert, griffen Pessimisten immer gerne zu und kauften ein. Diesmal war die Korrektur aber kaum der Rede wert. Vom Allzeit-Hoch gerechnet verlor der DAX zutiefst noch nicht einmal ganz 3 Prozent. Trotzdem ist es in den letzten beiden Wochen zu ordentlichen Verschiebungen in der Marktstimmung gekommen. Skeptiker gaben ihre Haltung auf, Optimisten bekamen Zuwachs.

Das erstaunliche an dieser Aktion ist weniger das Preisniveau, zu denen diese Umschichtungen stattgefunden haben, sondern vielmehr das für Aktienbullen äußert bedrohliche fundamentale Umfeld, das für einen heißen Herbst im negativen Sinne sorgen könnte.

Gelassene Investoren

Die reichhaltige Palette potenzieller Risiken, die sich derzeit für den Aktienmarkt ergeben, wäre eigentlich ein gefundenes Fressen für die Bären gewesen. Stattdessen aber machten sich ehemalige Skeptiker lieber über deutsche Bluechips her. Die Gewinnmitnahmen setzten sie dabei auf einem Niveau ein, das eigentlich vor zwei Wochen als favorisiertes Ziel für potenzielle Eindeckungskäufe galt: 8.510/25 Punkte. Dort scheint es also noch ungesättigte Nachfrage gegeben zu haben. Zwischen diesem Boden und der nächsten absehbaren Käuferschicht klafft nun aber ein wesentlich größeres Loch als in der vergangenen Woche. Die ersten Bären würden für Gewinnmitnahmen nämlich frühestens bei 8.360 zuschlagen, der Median ist sogar um 50 Punkte auf 8.200 Zähler gefallen. Wenn also der DAX nochmal abdriften sollte, würde er wohl wesentlich stärker korrigieren.

Kaum etwas hat sich im Bullenlager getan. Der Median blieb gegenüber der Vorwoche unverändert. Die Bereitschaft, Gewinne mitzunehmen, ist vermutlich durch die bescheidenen Erwartungen der neuen Bullen gesunken. Erstes Angebot dürfte bereits bei 8.680 Zählern zu spüren sein.

Im neutralen Lager ist die Prognosebandbreite abermals geschrumpft. Die asymmetrische Verteilung um den 8.550er DAX-Erhebungskurs ist diese Woche aber verflogen.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 8.800 / +/-0 8.985 8.680 150 / +30
Bären 8.200 / -50 8.360 8.005 175 / -40
Neutrale 8.600 / +/-0 8.675 8.470 100 / +30

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Späte Erkenntnis für DAX-Top-Performer

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Die Deutsche Post hat plötzlich die Führungsposition unserer Top-Liste übernommen. Jetzt erst muss man sagen, denn eigentlich gehörte die Aktie das ganze Jahr über schon zu den Top-DAX-Performern. Die neue Favoritenrolle beruht auch wohl weniger darauf, dass der Titel mit günstigen Einstiegskursen von sich Reden machte. Seit knapp drei Wochen konsolidiert das Papier in einer Bandbreite von rund anderthalb Euro. Die Marktteilnehmer scheinen eher an dessen jüngster Aufnahme in den Euro Stoxx 50 gefallen gefunden zu haben und sehen hierin wohl weitere Kursfantasie.

Hinter der Deutschen Post, die einen Stimmenanteil von 8 Prozent für sich verbuchen konnte, reihen sich die Deutsche Telekom mit 6 Prozent und der erste Platz der Vorwoche, die Commerzbank, mit 5 Prozent ein. Mit Letzterer gleichauf liegt die Aktie der Lufthansa.

Weitaus deutlicher fällt das Urteil der Marktteilnehmer aus, wenn es um die Einschätzung der zukünftigen Verlierer geht. Von den Short-Spielern wird dieses Mal wieder die Commerzbank favorisiert (17 Prozent), die in der vergangenen Woche noch Rang zwei belegte. Den Platz hat sie mit K+S getauscht, die nun dahinter stehen, aber mit 14 Prozent immer noch einen hohen Anteil an Skeptikern anziehen.

Nach diesen beiden Titeln kommt lange Zeit nichts. Erst mit deutlichem Abstand folgen Deutsche Bank, die 5 Prozent der Stimmen verbucht, sowie SAP, die ebenfalls 5 Prozent des pessimistischen Interesses auf sich ziehen.

von Gianni Hirschmüller, cognitrend
© 9. Oktober 2013

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