Marktsentiment: DAX-Händler holen sich verlorene Aktien zurück

Zusammenfassung der Analyse

Die Marktstimmung polarisiert im Seitwärtsmarkt. Bei unverändert hohen Aktienpreisen  – der DAX steht wie in der Vorwoche bei 8.650 Punkten mit einem kurzen zwischenzeitlichen Rücksetzer am Montag – sind in den vergangenen Tagen 7 Prozent der befragten Profis in Aktien eingestiegen und 2 Prozent haben ihre Short-Positionen verkauft. Das wirft den Bull/Bear-Index mit 54,4 Punkte wieder auf die andere Seite der markigen Grenze zwischen Optimismus und Pessimismus. Die Privatanleger haben sich in eine ähnliche Richtung bewegt, nur weniger ausgeprägt.

Cognitrend sieht darin Nachfrage von Wiedereinsteigern, was zwar nicht mehr auf eine negative Einstellung gegenüber dem deutschen Aktienmarkt schließen ließe, allerdings dürften die Akteure trotzdem ihr Verhalten der vergangenen Monate beibehalten. Sie würden aufs Neue verkaufen, falls der Markt sich wieder in Richtung seines Allzeithochs bewegt und erst bei heftigen DAX-Abschlägen größere Long-Positionen aufbauen.

Bull/Bear-Index: 54,4 Punkte

Vorwoche: 49,4 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

hirschmueller+gianni+120x125.jpg
Hirschmüller

2. Oktober 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Für USA-Touristen mag es ärgerlich sein, nicht auf die Freiheitsstatue hochsteigen zu können. Für die rund 800.000 Staatsbedienstete ist der unbezahlte Urlaub, in den sie zwangsweise von der Regierung geschickt wurden, jedoch schon wesentlich unangenehmer. Einige Betroffene sprechen nicht zu unrecht von Freiheitsberaubung. Präsident Obama vergleicht die Blockade der Republikaner im Kongress, die zum abrupten Haushaltsstopp führte, gar mit „Geiselhaft“.

Gut, dass in Deutschland eine Konstellation wie derzeit in den USA nicht möglich ist. Das US-Gesetz, auf dem der sogenannte „Government shutdown“ basiert, ist immerhin schon 143 Jahre alt und deswegen so radikal, weil jedem Staatsbediensteten, der dagegen verstößt, eine Gefängnisstrafe drohen kann. In Deutschland greift hingegen in solchen Situationen ein Nothaushaltsrecht, das im Grundgesetz geregelt ist. Die Sorge der Marktteilnehmer hierzulande ist aber ohnehin nicht, dass die Bundesregierung in eine ähnliche Lage kommen könnte. Vielmehr geht die Angst um, das Dilemma der USA könnte sich negativ auf unser Wachstum auswirken. Immerhin sind die Vereinigten Staaten der zweitwichtigste Absatzmarkt des deutschen Außenhandels.

Skeptiker verschätzen sich

Analyse zum Anhören

 Podcast mp3 3,5 MB

Analyse im TV:
Jeden Donnerstag

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

Der tobende US-Haushaltsstreit dürfte somit auch für die Teilnehmer unseres Sentiment-Panels das Thema der Woche, überraschenderweise aber nicht Stein des Anstoßes für die Verluste zu Wochenbeginn gewesen sein. Denn der Rücksetzer vom Montag auf knapp unter 8.550 DAX-Zähler wurde wohl eher von kurzfristig operierenden Händlern angestoßen. Die von der Börse Frankfurt befragten institutionellen Anleger sahen den Rückschlag hingegen als Chance, sich das beim jüngsten September Eurex-Verfallstermin verlorene Material zurückzuholen. Zur Erinnerung: Wir mutmaßten vergangene Woche, dass sich unter den befragten Akteuren zahlreiche Stillhalter von Kaufoptionen befanden, die aufgrund des hohen Kursniveaus ausgeübt wurden und Aktien auf diesem Wege verloren hatten. Zudem versprachen wir, sie würden sich die Papiere bereits bei einem Rückgang des DAX in Richtung 8.525 Punkten wieder ins Depot legen wollen, was einigen von ihnen offensichtlich gelungen ist. Diese Rückkäufe halfen dem Bull/Bear-Index, sich über die 50-Punkte-Marke zu schwingen. Allerdings ist der Optimismus noch weit von dem entfernt, was man einen positiv gestimmten Markt nennen könnte.

Die Privatanleger verhielten sich in ähnlicher Weise wie die Institutionellen, allerdings nicht ganz so ausgeprägt. Der Bull/Bear-Index der Privaten stieg nur geringfügig auf 51,6 Punkte.

Nachdem die Nachfrage von Wiedereinsteigern sich wie von uns erwartet entfaltet hat, lässt sich zwar nicht mehr von einer negativen Einstellung der Investoren gegenüber dem deutschen Aktienmarkt reden. Die Akteure dürften trotzdem ihre Einstellung der vergangenen Monate beibehalten. Das würde bedeuten: Sie werden aufs Neue verkaufen, falls der Markt sich wieder in Richtung seines Allzeithochs bewegt, würden aber erst bei heftigen DAX-Abschlägen größere Long-Positionen aufbauen.

von Gianni Hirschmüller, cognitrend
© 2. Oktober 2013

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 42 % 34 % 24 %
ggü. letzter Erhebung +7 % -2 % -5 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
dax+sentiment+20131002+584x210.png

  • Stand DAX (25. September): 8.650 Punkte (+0,23 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 54,4 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
comdirect+188+80.png

  Bullish Bearish Neutral
Total 44 % 41 % 15 %
ggü. letzter Erhebung +3 % +2 % -5 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
dax+sentiment+priv+20131002+584x210.png

  • Stand DAX (2. Oktober): 8.650 Punkte (+0,23 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 51,6 Punkte

Weiterführende Links

Die Rückkehr der Bullen

goldberg+joachim+120x125.jpg
Goldberg

Ein Ausbüchser des DAX an der Unterseite von in der Spitze 150 Punkten hat offenbar gereicht, um zumindest zahlenmäßig fast alle ehemaligen Bullen, die in der vergangenen Woche – vielfach unfreiwillig – dem DAX den Rücken gekehrt hatten, wieder in den Markt zurück zu locken. Dieser Optimismus ist insofern bemerkenswert, weil die haushaltstechnische Lage und das drohende Erreichen des Schuldendeckels in den USA einen unbelasteten Beobachter nicht zwingend in den Aktienmarkt hätte treiben müssen. Allerdings vermitteln die Verschiebungen bei der jüngsten Befragung, dass sich nur noch ein Teil der Optimisten aus dem Lager vormals neutral gestimmter Akteure – wo sie zuletzt hingewandert waren – rekrutiert. Die zugrundeliegenden Aktienrückkäufe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit einzig preisgetrieben und das Resultat früherer Entscheidungen.

Unter den Haussiers von heute befinden sich aber auch ein paar frühere Bären, denen angesichts ihrer bislang teils teuren erfolglosen Strategien gegen Trend in diesem Jahr nunmehr der Mut zu fehlen schien, trotz guter Argumente, noch einmal auf fallende Kurse zu setzen. So kann man auch verstehen, wenn sich die Vorhersagen der Optimisten im Mittel auf dem gleichen Niveau wie vor zwei Wochen bei 8.800 DAX-Zählern bewegen. Zwar sieht das Gros der Befragten neue Allzeithochs, aber nur ganz wenige Stimmen antizipieren gar DAX-Stände von mehr als 9.000 Punkten.

Bärenlager der Hartgesottenen

Strukturelle Veränderungen hat es indes im Bärenlager gegeben. Dieses ist nämlich nicht auf den Stand von vor zwei Wochen zurückgekehrt. Im Gegenteil: Wer konnte – und dies waren gleichzeitig auch die Pessimisten mit den einst konservativsten Prognosen – hat sich wegen erneut befürchteter Argumentationsnöte sogar etwas früher als ursprünglich geplant, nämlich bei 8.525 Punkten, von seiner Untergewichtung verabschiedet. Damit sind erste Gewinnmitnahmen im Falle von Kursrückgängen nunmehr erst bei einem DAX-Wert von 8.445 Punkten zu erwarten, der Median der verbliebenen Prognosen ist sogar um 75 Zähler gesunken, während die erste Standardabweichung nach unten fast unverändert bei 8.015 Punkten verharrt. Dabei bleibt festzuhalten, dass das Vertrauen der verbliebenen Bären in die eigenen Prognosen gegenüber der Vorwoche leicht angezogen hat.

Ansonsten bleibt das Lager der „Neutralen“ im Zweiwochenvergleich ordentlich gefüllt, wobei die Prognosebandbreite etwas geschrumpft ist. Auffallend ist hier jedoch deren asymmetrische Verteilung um den Erhebungskurs des DAX von 8.650 Zählern.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 8.800 / +/-0 8.975 8.730 120 / -15
Bären 8.250 / -75 8.445 8.015 215 / -40
Neutrale 8.600 / +/-0 8.675 8.535 70 / -10

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Richtige Favoriten verzweifelt versucht

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Trotz des zurückgekehrten Optimismus der von der Börse Frankfurt befragten institutionellen Marktteilnehmern, tun diese sich schwer, sich für einen echten Top-Performer unter den Standardwerten zu entscheiden. So heißt der neue Tabellenführer zwar Commerzbank, aber die Führung ist mit einem Stimmenanteil von nur 7 Prozent der Befragten ohnehin eher schmeichelhaft. Denn kurz dahinter lauert die Deutsche Telekom, die im Gegensatz zu Rang eins nur wenige skeptische Stimmen (2 Prozent) gleichzeitig auf sich vereinigen musste. Unterdessen zeigt sich Lanxess nach längerer Abwesenheit (zuletzt am 10. Juli) wieder einmal unter den „Top three“. Dieses Mal reichte ein Zuspruch von 5 Prozent der Akteure, um K+S mit der relativ schlechteren Gesamtwertung (5 Prozent Tops gegenüber 16 Prozent bei den Flops) auf den vierten Platz zu verdrängen.

Wahrscheinlich hätten auch ohne das jüngste Grubenunglück die meisten Panelteilnehmer K+S an die Spitze ihrer Verkaufsliste gesetzt, zumal der größte Teil des jüngsten Kursrückgangs bereits bei unserer vergangenen Erhebung (über 10 Prozent) verbucht werden musste. Von allen übrigen Titeln fallen Commerzbank (zweiter Rang mit nunmehr wieder 13 Prozent Stimmenanteil) und ThyssenKrupp mit 7 Prozent der Befragten aus dem Rahmen der nur insgesamt elf als Verlierer bezeichneten Aktiengesellschaften.

von Joachim Goldberg, cognitrend
© 2. Oktober 2013

dax+prognose+131002.png