Marktsentiment: "Der Markt muss fallen!"

Zusammenfassung der Analyse

Im Vergleich zur letzten Woche hat sich die Stimmung der institutionellen Investoren deutlich verschlechtert. Der Bull/Bear-Index rutscht auf 43,9 Punkte ab und liegt damit im pessimistischen Bereich. 5 Prozent haben ihre DAX-Aktien verkauft, 9 Prozent sind short gegangen. Privatanleger waren vorher schon weit misstrauischer, was sich nochmal verstärkt hat. Der Bull/Bear-Index der Privaten sinkt weiter auf 42,1 Punkte.

Gianni Hirschmüller vermutet, dass die Furcht, zu Rekordkursen auf den Hausse-Zug aufzuspringen und kurz danach abzustürzen, einerseits eine lähmende Wirkung habe, andererseits zu Gegenposition ermutigen würde. Wer allerdings so stoisch gegen die erbarmungslose Rallye kämpfe, bringe sich in die Gefahr einer Short-Squeeze. „Die Schmerzgrenze für Zwangseindeckungen kann nicht mehr allzu weit entfernt sein.“

Im Hinblick auf die erwarteten Punkte zeigt sich, dass die Pessimisten ihr Ziel nach oben korrigiert haben, getreu dem Motto „Was schnell steigt, muss auch schnell fallen“. Bei den Einzelwerten rutschen Bankwerte allmählich etwas aus an den Rand des Lichtkegelns, in den sich ThyssenKrupp und BASF dazugesellen.

Bull/Bear-Index: 43,9 Punkte

Vorwoche: 51,7 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

22. Mai 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Jetzt, nachdem der DAX sein 2007er Hoch so eindeutig überwunden hat, dass alle Zweifler von einem „korrekten“ Ausbruch überzeugt sind, hätte man eigentlich annehmen können, der Bullenmarkt sei endlich akzeptiert worden. Auch einige Berichte in der Finanzpresse ließen darauf schließen, die jüngsten Rekorde hätten die Anleger erreicht. Denn immer, wenn die Kurse an den Aktienbörsen markant steigen, tauchen in schöner Regelmäßigkeit Artikel auf, die einem suggerieren, Aktien seien langfristig die beste und rentabelste Wertanlage. Als weitere Unterstützung dürfte auch die jüngste Studie der Deutschen Bundesbank verstanden worden sein. Die Notenbanker halten europäische Aktien für eher günstig bewertet. Für deutsche Unternehmen gelte ähnliches.

Aber all diese Ermutigungen, sich mit steigenden Aktienkursen anzufreunden, perlen an den von der Börse Frankfurt befragten Anlegern ab, wie Regen an einem Friesennerz. Die Dauer-Skeptiker des Panels machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung. Im Gegenteil, sie zeigen keine Scheu, ihr Missfallen an der DAX-Hausse noch zu verstärken. Ihre Reaktion auf das jüngste Rekordhoch fällt erschreckend deutlich aus: Der Pessimismus schwillt auf das höchste Niveau seit Ende September 2012.

Der Bull/Bear-Index notiert zum ersten Mal in diesem Jahr, dafür aber sehr deutlich, unter der 50-Punkte-Marke. In der Einzelbetrachtung wird klar, dass sich die Bias, die seit einiger Zeit unter den Akteuren herrscht, rasant ausgeweitet hat. Denn seit dem raketenhaften Start von seinem Jahrestief Mitte April, ist der DAX praktisch ohne jede Gegenbewegung 1.000 Punkte nach oben gelaufen. Für manche mag sich die Betrachtung des DAX-Chart anfühlen, als ob man an einem Roulette-Tisch stünde, bei dem zum 20. Mal hintereinander Rot gefallen ist. Die Kompromisslosigkeit, mit der sich die Kurse tagtäglich nach oben bewegen, erzeugt Unverständnis und sorgt für fassungslose Gesichter.

Die Furcht, zu Rekordkursen auf den Hausse-Zug aufzuspringen und kurz danach abzustürzen, hat einerseits eine lähmende Wirkung. Andererseits ermutigt diese Konstellation viele Händler, die Gegenposition einzunehmen, was sich in der erhöhten Zahl von Pessimisten ausdrückt; das Lager der Bären ist um 9 Prozent gewachsen. Zusätzlich haben sich 5 Prozent der Optimisten verabschiedet.

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Die Aussage der Anleger ist klar: Der DAX muss fallen, muss endlich einmal korrigieren. Vergangene Woche hatte sich aber schon abgezeichnet, dass die Privatanleger den Institutionellen folgen wollen. Die Reaktion der Privaten fiel diesmal aber noch stärker aus. Ihr Bull/Bear-Index fiel ebenfalls auf ein neues Jahrestief von 42,1 Punkten. Die neuen Wetten auf eine Korrektur fallen bei dieser Marktgruppe sogar mehr als doppelt so hoch aus als die Gewinnmitnahmen der Bullen.

Weil sie stoisch gegen die erbarmungslose Rallye kämpft, hat sich die Mehrheit der befragten Investoren in eine Sackgasse hineinmanövriert. Damit hat sich die Gefahr einer Short-Squeeze noch einmal drastisch erhöht. Die Schmerzgrenze für Zwangseindeckungen kann nicht mehr allzu weit entfernt sein. Wehe den Bären, wenn sie überschritten wird.

© 22. Mai 2013/Gianni Hirschmüller, cognitrend

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 34 % 45 % 21 %
ggü. letzter Erhebung -5 % +9 % -4 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (22. Mai): 8.430 Punkte (+1,07 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 43,9 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 35 % 50 % 15 %
ggü. letzter Erhebung -3 % +7 % -4 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (22. Mai): 8.430 Punkte (+1,07 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 42,1 Punkte

Weiterführende Links

Mehr als nur Gewinnmitnahmen

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Goldberg

Zum ersten Mal in diesem Jahr hat sich das Bullenlager derart reduziert, dass selbst der harte Kern der Optimisten nicht mehr vollzählig mit von der Partie ist. Aber wem ist es auch zu verdenken, wenn er nach mehreren Wochen des Zusehens seine Gewinne festschreiben möchte. Vor allem, wenn die derzeitige Hausse ohne sichtbare stärkere Korrekturen verläuft. Und diejenigen, die im Lager der Optimisten geblieben sind, sehen die Bäume ebenfalls nicht in den Himmel wachsen. Denn deren mittlere Prognose ist, etwa wie der DAX selbst, im Vergleich zum vergangenen Erhebungszeitpunkt um 100 Punkte auf nunmehr 8.600 Zähler gestiegen. Allerdings hat sich auch die Streubreite der Vorhersagen im Wochenvergleich erhöht, wobei das obere Band nunmehr bis über die 8.800er Marke reicht – mit weiteren Abgaben der verbliebenen Optimisten, ist allerdings schon bei 8.525 Punkten zu rechnen.

Und warum die Bären noch nicht aufgegeben haben

Die eigentlichen Problemkinder bleiben indes die Bären, deren Gruppierung sich nicht nur auf den höchsten Stand dieses Jahres erhöht hat. Darüber hinaus hat sich der Median der pessimistischen Vorhersagen deutlicher nach oben verschoben als die bullishen Prognosen bei den Optimisten. Wäre in der Vorwoche noch das Gros der Bären mit einem Rücksetzer knapp unter die 8.000er Marke zufrieden gewesen, wurden diese Hoffnungen trotz der bereits bestehenden Positionierungen nunmehr auf 8.100 Zähler angehoben. Erste Eindeckungen dürften bereits erheblich früher, nämlich bei 8.265 Punkten, erfolgen. Diese deutliche Korrektur der Erwartungen ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass die Ambitionen der Pessimisten tatsächlich gesunken sind. Vielmehr dürften die angehobenen Prognosen mit den jüngsten Verkäufen auf höherem Niveau oder aber auch durch Hinzumischen zu bereits bestehenden Absicherungsengagements zustande gekommen sein. Dennoch sind die Erwartungen, die die Bären in einen Kursrückgang setzen im Mittel immer noch fast doppelt so groß (330 Zähler) wie die ihrer bullishen Pendants (170 DAX-Punkte). Diese hohen Erwartungen mögen mit der bislang seit Mitte April fast ununterbrochenen Aufwärtsbewegung zusammenhängen, und könnten auch dafür ursächlich sein, dass die Pessimisten bislang noch nicht kapituliert haben. Vielmehr scheint man fest an das Motto zu glauben: „Was schnell steigt, muss auch schnell fallen“.

Auffallend ist indes die starke Schrumpfung der Prognose-Bandbreiten bei den „Neutralen“, die offenbar von einer stark schrumpfenden Volatilität ausgehen. Mit gerade einmal 110 Punkten Spanne dürften diese Akteure im Falle einer deutlichen Kursentwicklung vermutlich zur früh aktiv werden.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 8.600 / +100 8.835 8.525 155 / +40
Bären 8.100 / +140 8.265 7.875 190 / +5
Neutrale 8.450 / +150 8.495 8.390 55 / -75

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Banktitel werden langsam verdrängt

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Commerzbank sind immer noch auf den vorderen Listenplätzen der Vermögensverwalter zu finden. Und zwar sowohl bei den Gewinnern als auch bei den Verlierern. Allerdings wird eine Entwicklung immer deutlicher: Während das Geldhaus in den Vorwochen die Akteure noch halbwegs polarisieren konnte, fand es zuletzt immer weniger Anhänger. Zwar belegen Commerzbank bei den Gewinnern noch Platz zwei, konnten aber zuletzt nur noch 5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Unterdessen haben sich ThyssenKrupp auf den Spitzenrang der Einkaufsliste vorgeschoben, was insofern bemerkenswert ist, weil wir dieses Papier noch vor wenigen Wochen häufig auf den vorderen Pläzen der Verlierer vorgefunden haben. Bronze bei den Favoriten erhält nunmehr das Papier von BASF, kann sich aber mit einem Voting von 4 Prozent von den übrigen Aktien kaum abheben.

Auch auf der Verliererliste ist der Vorsprung des Tabellenersten Commerzbank – 31 Prozent der Befragten nannten diesen Wert als Verkaufswunsch – ausgesprochen deutlich, weil die Deutsche Telekom auf dem zweiten Platz nur einen Anteil von 5 Prozent des Panels für sich verbuchen konnte. So gesehen ist auch der dritte Platz, den die Deutsche Bank immer noch innehat (4 Prozent) eigentlich nicht der Rede wert. Genauso wenig wie ein Drittel der DAX-Titel, die von den Vermögensverwaltern offenbar überhaupt nicht wahrgenommen werden.

© 22. Mai 2013/Joachim Goldberg, cognitrend