Marktsentiment: Immer mehr Bären knicken ein

Zusammenfassung der Analyse

Ungewöhnlich einstimmig sind rund ein Zehntel professionelle wie private Anleger auf die Long-Seite gewechselt und haben DAX-Aktien gekauft. 5 Prozent, bzw. 8 Prozent Private, glauben nicht mehr an fallende Preise und haben ihre Short-Engagements geschlossen. Das hebt den Bull/Bear-Index auf 55 bzw. 56,3 Punkte leicht über die Grenze zwischen Pessimismus und Optimismus. Der Aktienmarkt ist, gemessen am DAX, in der Zeit um 280 Punkte gestiegen.

Gianni Hirschmüller sieht einen Hauptgrund für den Stimmungswechsel in den scheinbar abklingenden Krisen. Den Bären würden alle Stützen weggebrechen. Sie hätten sich mit ihren Short-Spekulationen nicht nur gegen den Aufwärtstrend des laufenden Jahres gelehnt, sondern auch gegen eine hohe Welle von Mittelzuflüssen aus dem Ausland. Die Anpassungen seien aber minimal gewesen und reichten, um den bearishen Grundton der Marktstimmung zu neutralisieren. Das heißt, sie bringen die Anleger nicht aus der Gefahrenzone der Bärenfalle.

Auch die genaue Prognose festigt diesen Eindruck der unwilligen Käufer, denn die Erwartungen hängen weit hinter den Kursgewinnen zurück.

Bull/Bear-Index: 55 Punkte

Vorwoche: 41,6 Punkte. Oberhalb 50 Punkte ist der Markt optimistisch, unterhalb pessimistisch.

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Hirschmüller

11. September 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Für viele Pessimisten ist es seit der vergangenen Erhebung, gelinde gesagt, eng geworden. Die viel beschworenen Ereignisrisiken, zu denen vor allem die Notenbanksitzung der EZB und die US-Arbeitsmarktdaten zählten, haben sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst. Auch ein anderes sensibles Thema des Finanzmarktes köchelt mittlerweile nur noch auf Sparflamme: Tapering, die Reduzierung der ultralockeren US-Geldpolitik. Obgleich zwischenzeitlich der IWF, die Bundeskanzlerin und noch zahlreiche andere Größen im Vorfeld versuchten, auf die nahende Entscheidung des US-Offenmarktausschusses Einfluss zu nehmen, indem sie auf die möglichen negativen Folgen eines Abbremsmanövers hinwiesen, ging der Markt zuletzt spürbar entspannter mit diesem Thema um.

Und da in den vergangenen Tagen auch noch positive ökonomische Signale aus China und der Eurozone eintrafen, blieb Dauerskeptikern eigentlich nur noch die Syrien-Krise. Aber ein unerwarteter diplomatischer Schwenk aus Russland hat zu Wochenbeginn auch der wachsenden Angst einer kriegerischen Auseinandersetzung den Wind aus den Segeln genommen.

Den Bären sind also innerhalb kurzer Zeit alle erdenklichen Stützen weggebrochen, auf denen sie ihr ohnehin fragiles Vorhaben aufgebaut hatten. Denn sie wussten, dass sie sich mit ihren Short-Spekulationen nicht nur gegen den DAX-Aufwärtstrend des laufenden Jahres lehnten, sondern sich auch einer hohen Welle von Mittelzuflüssen aus dem Ausland in den Weg stellten. Dabei flossen laut einer Untersuchung von Goldman Sachs im ersten Halbjahr allein aus den USA die meisten Mittel seit 1977 dem europäischen Aktienmarkt zu.

Verändertes Umfeld hellt Stimmung auf

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Kein Wunder, dass sich bei solch einer radikalen Veränderung des ökonomischen Umfelds auch die Erwartungshaltung der Händler ändert. Dies geschah allerdings nicht ganz so radikal, wie man es vermuten könnte. Zwar zog das Lager der Optimisten um 11 Prozent an, aber lediglich 5 Prozent der Bären gaben ihre Haltung auf. Immerhin empfanden 6 Prozent der Neutralen, dass es nun Zeit für ein Engagement am deutschen Aktienmarkt sei. Dies führte zum höchsten Bull/Bear-Index seit Mitte Juli. Allerdings liegt die Stimmung noch immer unter dem Durchschnittsniveau des laufenden Jahres – und das, obwohl mit 8.460 Zählern ein DAX-Rekordkurs auf Erhebungsbasis ermittelt wurde. Auch die Stimmung der Privatanleger hat den höchsten Wert seit neun Wochen erreicht. Der Bull/Bear-Index liegt dort bei 56,3 Prozent und damit knapp jenseits von dem der institutionellen Investoren. Bemerkenswert ist, dass das Bärenlager der Privaten noch immer etwas größer als das der Institutionellen ist, obwohl der bearishe Abzug mit 8 Prozent deutlicher als bei den Profis ausfiel.

Die Klarheit, mit der die Anlegerstimmung sich diese Woche verbessert hat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich zahlreiche Akteure noch immer in einer brenzligen Situation befinden. Die Marktteilnehmer haben nur die nötigsten Anpassungen in ihrem Depot vorgenommen. Dies reicht zwar, um den bearishen Grundton der Marktstimmung zu neutralisieren, nicht aber, um sich über weitere, absehbare DAX-Rekorde zu freuen.

von Gianni Hirschmüller, cognitrend
© 11. September 2013

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

  Bullish Bearish Neutral
Total 44 % 35 % 21 %
ggü. letzter Erhebung +11 % -5 % -6 %

 

Institutionelle Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (11. September): 8.460 Punkte (+3,31 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 55 Punkte

Verhältnis Optimisten zu Pessimisten

Mit Unterstützung von
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  Bullish Bearish Neutral
Total 48 % 36 % 16 %
ggü. letzter Erhebung +10% -8 % -2 %

 

Private Anleger: Stimmungs- und DAX-Verlauf
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  • Stand DAX (11. September): 8.460 Punkte (+3,31 % gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Bull/Bear-Index: 56,3 Punkte

Weiterführende Links

Überzeugung sieht anders aus

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Goldberg

Wenn der Optimismus der von der Börse allwöchentlich befragten Akteure, gemessen an unserem Bull/Bear-Index, auf den höchsten Stand seit neun Wochen steigt, sollte man eigentlich meinen, dass sich dies in den DAX-Prognosen für den kommenden Monat ebenfalls niederschlägt. Doch aus irgendeinem Grunde konnten diese Vorhersagen bei unserer heutigen Befragung nicht mit der Entwicklung des DAX Schritt halten. Während wir für das Börsenbarometer im Wochenvergleich einen Zuwachs von 3,4 Prozent feststellen, bleiben die mittleren Prognosen weit hinter diesem deutlichen Kurszuwachs zurück. Während letzterer über 350 DAX-Zähler betrug, sind es interessanterweise die Bullen, die sich selbst nicht über den Weg zu trauen scheinen. Denn ihre Median-Vorhersage liegt gerade einmal 150 Punkte höher als noch vor einer Woche. Dabei kann man zwar mutmaßen, dieser Gruppe sei der Einstieg in den haussierendem Markt schon sehr früh gelungen, weswegen man bezüglich weiterer Kursanstiege eher zurückhaltend ist.

Doch wenn mehr als die Hälfte der Befragten dem DAX bestenfalls einen marginal höheren neuen historischen Rekord zutraut, mutet das schon so an, als ob die neue hinzugekommenen Optimisten – sie machen ein Viertel des Bullenlager aus – zu einer Zwangshochzeit mit dem Aktienmarkt verdonnert worden wären. Denn Überzeugungskäufe sehen anders aus. Immerhin ist die Verteilung um den Zentralwert bei den Bullen recht asymmetrisch: Die Abweichung nach oben ist fast doppelt so groß, wie die nach unten. Wenn schon nicht dem verbesserten fundamentalen Umfeld des Marktes vertraut wird, dann immerhin in die eigenen Prognosen. Denn deren Streubreite hat sich gegenüber der vergangenen Sentiment-Befragung um fast ein Drittel reduziert.

Pessimisten zeigen sich geschmeidiger

Wenig erstaunlich bleibt indes, dass die verbliebenen Pessimisten mit ihren Prognosen ebenfalls nicht mit der DAX-Entwicklung mithalten konnten. Aber die Bereitschaft, sich an die neuen Marktgegebenheiten anzupassen war sogar etwas größer als das ihrer bullishen Pendants! Allerdings bleibt die Streubreite der Vorhersagen mit insgesamt 340 Zählern um den Mittelwert herum trotz ihrer Größe (beziehungsweise der damit behafteten Unsicherheit der Vorhersage) fast noch symmetrisch verteilt.

Auch die Prognosen der Neutralen können derzeit nicht mit der DAX-Entwicklung mithalten. Vor allem bleibt das Band der Vorhersagen so eng, dass der DAX-Stand zum Zeitpunkt der Erhebung nur unweit von deren Obergrenze festgestellt wurde.

   Median höchster Wert* tiefster Wert* Streuung
Bullen 8.600 / +150 8.740 8.520 110 / -50
Bären 8.100 / +200 8.250 7.915 170 / -15
Neutrale 8.400 / +200 8.475 8.325 75 / +20

* = eine Standardabweichung vom Mittelwert aller Kursprognosen.

DAX-Gewinner und -Verlierer: Favoritensterben

Einzelwertanalyse

Untersucht werden die Aktien, die für Bullen und Bären derzeit die größten Favoriten darstellen, also die mit der besten erwarteten Entwicklung und die mit der schlechtesten.

Die Zeit der großen Favoriten auf den Einkaufslisten bzw. den großen Verlierern auf den Verkaufszetteln der Investoren scheint vorerst vorbei zu sein. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die jüngste Erhebung der Börse Frankfurt, bei der sich bei den Tops zwar immer noch die Mehrheit der Investoren für K+S entschied. Allerdings finden sich mit 10 Prozent der Stimmen nur noch wenig mehr Händler als bei den Verkaufswilligen für dieses Papier. An Position zwei liegt die Deutsche Telekom, die immerhin 6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, genauso wie die insgesamt etwas schwächer gesehene Commerzbank. Interessant in diesem Zusammenhang: Obgleich gestern die Internationale Automobilausstellung (IAA) für die Presse ihre Tore öffnete und Autowerte mit Kursgewinnen aufwarteten, schien sich kein Investor für Volkswagen oder BMW als Favorit interessieren zu wollen.

Die Liste der Flops wird mit unverändert 11 Prozent des Panels von der Commerzbank angeführt; ein Wert, der aber längst nicht mehr an die hohen Zahlen der Vergangenheit anknüpft. Neun Prozent der Händler stellten K+S auf Verkauf – offenbar hält man den jüngsten korrektiven Anstieg des Aktienkurses mancherorts für überzogen. ThyssenKrupp belegen nun mit sieben Prozent der Befragten zwar Platz drei, haben aber gegenüber der Vorwoche immerhin die Hälfte der verkaufswilligen Investoren entmutigen konnten.

von Joachim Goldberg, cognitrend
© 11. September 2013

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