Marktstimmung: Anleger warten nicht auf die EZB

Zusammenfassung der Analyse

Börse Frankfurt Sentiment-Index: Bloß raus scheint die Maxime vieler privater Anleger. Oder gleich auf die Short-Seite wechseln. 15 Prozent haben ihre DAX-Aktien seit vergangenem Mittwoch verkauft, 10 Prozent sind short gegangen. Das haut den Sentiment-Index nach unten durch auf -6 Punkte. Der DAX hat im selben Zeitraum 30 Punkte gewonnen.

In die andere Richtung sind die professionellen Investoren gegangen. 5 Prozent haben Aktien gekauft, 2 Prozent Short-Positionen verkauft. Der Sentiment-Index steht bei 7 Punkten im bullishen Bereich.

Heute könnten allerdings aktuelle Ereignisse das Bild verzerren, denn während der Befragung haben die Eilmeldungen zum Waffenstillstand in der Ostukraine nach oben getrieben. Joachim Goldberg vermutet aber auch, dass etliche institutionelle Anleger die Preise unter 9.400 Punkte zum günstigen Einstieg genutzt haben.

Bei den Privatanlegern macht der verhaltenstechnische Analyst vor allem Mißtrauen gegenüber der ökonomischen Entwicklung in der Eurozone, Skepsis bezüglich geldpolitischer Maßnahmen und teilweise auch Gewinnmitnahmen als Ursache für den massiven Stimmungseinbruch aus.

In der Summe wolle bei den Börsianern einfach keine gute Stimmung aufkommen, auch bei den Profis herrsche immer noch relative Skepsis vor. Das ließe allerdings deutsche Aktien aus verhaltenstechnischer Sicht unbelastet, der eine oder andere private Akteur könne die Kursschwäche sogar zu Schnäppchenkäufen nutzen.

Börse Frankfurt Sentiment-Index

  • Profis: +7 Punkte (Vorw. 0)
  • Private: -6 Punkte (Vorw. +19)

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Goldberg

3. September 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es passiert nur selten, dass eine so wichtige Nachricht wie die über einen Waffenstillstand genau in die Schlussphase unserer Sentiment-Erhebung hineinfällt. Soeben meldete Kiew die Einigung mit Kreml-Chef Wladimir Putin. Einige der Befragten unseres Panels hatten diese Nachricht noch vor der Stimmenabgabe wahrgenommen. Das Dementi, das eine Stunde später von russischer Seite erfolgte, erreichte die mittelfristig orientierten Marktteilnehmer indes nicht mehr rechtzeitig, um möglicherweise deren Meinung noch zu beeinflussen.

Somit ist nicht auszuschließen, dass die eine oder andere positive Stimme zum jüngsten leichten Optimismus beigetragen hat, der zu einer Steigerung des Börse Frankfurt Sentiment-Indexwert auf +6 zuletzt 0 Punkten führte. Der Zuwachs im Bullenlager von per Saldo 5 Prozent aller Befragten verteilt sich fast gleichmäßig auf frühere Bären und ehemals neutral gestimmte Marktteilnehmer.

Ob dieser Stimmungswechsel bei den institutionellen Marktteilnehmern tatsächlich der EZB geschuldet ist, von der man hier und da erwartet, dass sie bei ihrer morgigen Ratssitzung zumindest eine bescheidene Maßnahme ankündigen wird, erscheint jedoch fraglich. Wahrscheinlicher ist indes, dass einige Händler wie von uns erwartet den Rücksetzer des DAX während des Berichtszeitraums auf unter 9.400 Zähler zum Einstieg genutzt haben und sich somit zu relativ günstigen Kursen mit Aktien eindecken konnten.

Massiver Stimmungseinbruch bei Privatanlegern

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Völlig anders gestaltet sich das Bild bei den Privatanlegern, deren Befragung zum Zeitpunkt des kolportierten Waffenstillstands zwischen der Ukraine und Russlands bereits weitgehend abgeschlossen war. Hier ist es zu einem massiven Einbruch beim zuletzt festgestellten Optimismus gekommen.

Dabei hat der ohnehin recht volatile Börse Frankfurt Sentiment-Index die bislang größte Verschiebung seit Beginn unserer Aufzeichnungen Anfang vergangenen Jahres hinnehmen müssen. Ausgehend von +19 in der Vorwoche, ergab sich eine erdrutschartige Verschiebung auf einen Indexwert von -6.

Offensichtlich haben die privaten Investoren die ungünstige Entwicklung bei manchen ökonomischen Daten aus der Eurozone nicht mehr länger hinnehmen wollen. Auch scheint die Aussicht, dass die EZB bei ihrer morgigen Sitzung tatsächlich einen großen Wurf in Richtung einer quantitativen Lockerung landen wird, zunehmend skeptisch eingeschätzt zu werden. Zumal für einige Kommentatoren ein derartiger Schritt ohnehin zu spät käme. Der Verlust bei den Bullen von 15 Prozent der Befragten spiegelt nicht nur die jüngste starke Bereitschaft vieler Marktteilnehmer zu Gewinnmitnahmen wider. Vielmehr zeigt der Zuwachs bei den Pessimisten, der zu zwei Drittel auf das Konto jener Abwanderer geht, dass man möglicherweise zur Überzeugung gelangt ist, man werde – auch angesichts der geopolitischen Entwicklungen – in Deutschland womöglich mit einer Rezession rechnen müssen.

Die heutige Stimmungserhebung vermittelt insgesamt, unabhängig davon, ob es in der Ukraine tatsächlich zu einem Waffenstillstand kommen sollte oder nicht, dass bei den Börsianern einfach keine gute Stimmung aufkommen will. Dies gilt auch für die institutionellen Marktteilnehmer, deren Indexwert von +6 immer noch unter dem Jahresmittel liegt und somit als Zeichen relativer Skepsis zu bewerten ist. Damit bleibt der DAX jedoch weiterhin von heimischer Seite unbelastet. Vielleicht nutzt der eine oder andere private Akteur, von denen sich einige erstaunlich flexibel zeigen, eine eintretende Kursschwäche sogar zu neuerlichen Schnäppchenkäufen.

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 3. September 2014

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.


Börse Frankfurt Sentiment-Index

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Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Anleger, Kurve: DAX


Instituitionelle Anleger

  Bullish Bearish Neutral
Total 44 %
37 %
19 %
ggü. letzter Erhebung +5 %
-2 %
-3 %

 

  • Stand DAX (3. September): 9.600 Punkte (+0,31% gegenüber der letzten Erhebung)
  • Stand Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: +7 Punkte (Vorwoche: +0 Punkte)


Private Anleger – Mit freundlicher Unterstützung von Comdirect

  Bullish Bearish Neutral
Total 35 %
41 %
24 %
ggü. letzter Erhebung -15 %
+10 %
+5 %

 

  • Stand Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: -6 (Vorwoche: +19 Punkte)

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