Marktstimmung: Flucht aus dem Börsenparadies

Zusammenfassung

Der DAX hat seit vergangenem Mittwoch 500 Punkte verloren, was zahlreiche institutionelle Anleger die Reißleine hat ziehen lassen. Dabei haben nicht nur 9 Prozent ihre Aktien verkauft, 11 Prozent sind gleich Short-Engagements eingegangen. Das drückt den Börse Frankfurt Sentiment-Index von 23 auf 3 Punkte, knapp über die Nullgrenze zwischen Optimismus und Pessimismus. Private Anleger zeigen sich deutlich passiver. 4 Prozent haben verkauft und 1 Prozent sind jetzt short. 
 
Für Joachim Goldberg, verhaltensorierter Analyst, liegt die Hauptursache für den Kurs- und Stimmungsrückgang in den chinesischen Währungsturbulenzen. Angesichts der knapp 5 Prozent Wochenverlust sei die Reaktion der Anleger insgesamt eher schwach. Dennoch reichten die Absicherungen aus, um den Druck auf den DAX zu verringern, größere Schieflagen auf der institutionellen Seite fehlten nun. „Vielmehr könnte sich auf einem niedrigeren Niveau des DAX (vorzugsweise unter den Juli-Tiefs von 10.650 Zählern) neuerliche stützende Nachfrage der jüngsten Verkäufer einstellen.“
 
 

  • Profis: +3 Punkte ( ggü. Vorwoche: -20)
  • Private: +16 Punkte (ggü. Vorwoche: -5)
  • DAX: -500 Punkte

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Goldberg

12. August 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Betrachtet man die Stimmungslage zum DAX während der vergangenen beiden Wochen, schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann die Mehrheit der bullishen Investoren die während dieses Zeitraums entstandenen Börsengewinne einstreichen würden. Gut möglich, dass sich einige der mittelfristig orientierten institutionellen Investoren vielleicht noch mehr als das Hoch der vergangenen Woche bei 11.669 DAX-Zählern versprochen hatten, bevor sie aus dem Börsen-Paradies vertrieben wurden oder dieses freiwillig schnell verließen. Denn die Stimmung der allwöchentlich befragten Investoren hat sich deutlich abgekühlt, so dass der Börse Frankfurt Sentiment-Index um 20 Punkte auf einen Wert von gerade einmal 3 Punkten gefallen ist. Dabei kam es nicht nur zu Gewinnmitnahmen, sondern per Saldo sogar zu einer noch größeren bearishen Positionierung, die sich neben ehemaligen Optimisten auch noch aus früheren neutral eingestellten Marktteilnehmern speiste.

Hatten sich die meisten Akteure bislang von der sehr volatilen Entwicklung chinesischer Aktien gemessen am Shanghai Composite Index nicht beeindrucken lassen, blies der Gegenwind für den Aktienmarkt jetzt aus einer anderen Richtung in China. Die Rede ist von der überraschenden Anpassung des Referenzkurses der chinesischen Währung – allein gestern wurde sie durch die dortige Zentralbank gegenüber dem US-Dollar um 1,9 Prozent abgewertet. Aber spätestens seit der Yuan – die meisten Akteure hatten nur mit einem Einmalschritt der Zentralbank gerechnet – heute noch einmal von der People‘s Bank of China um 1,6 Prozent niedriger gegenüber dem Greenback fixiert wurde, kam die Befürchtung auf, China sei mit den anderen wichtigen globalen Währungen in einen Abwertungswettlauf eingetreten. Dabei dürften die Motive der Zentralbank für die Abwertung – ob es sich dabei nun um eine Reaktion auf die sich abschwächende chinesische Konjunktur handelte oder um den Versuch Pekings, für den Renmimbi vom IWF den Status einer Reservewährung zu erreichen – für die Börsianer nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Was sie vielmehr umtrieb, war der Umstand, dass sich durch eine deutlich schwächere chinesische Währung die relative Position der Exporteure hierzulande verschlechtert.

Privatanleger reagieren zögerlich

So gesehen ist es überraschend, dass die Privatanleger nur zögerlich von ihrer bullishen Haltung gegenüber der Vorwoche abgewichen sind. Denn der Optimismus ist in dieser Gruppe mit einem Börse Frankfurt Sentiment-Index von immer noch +16 Punkten nach +21 Punkten in der Vorwoche relativ hoch. Dennoch dürften auch diesen Panelteilnehmern die jüngsten chinesischen Währungsturbulenzen nicht entgangen sein. Möglicherweise waren allerdings die Einstandspreise der Optimisten der vergangenen Woche deutlich schlechter als die ihrer institutionellen Pendants, weshalb ihnen ein schneller verlustfreier Ausstieg aus diesen Engagements verwehrt blieb.

Mit der heutigen Erhebung befindet sich der DAX stichtagsbezogen auf dem gleichen Niveau wie Anfang Juli, allerdings aus anderen Gründen. Hatten wir seinerzeit trotz der dramatischen Zuspitzung in der Griechenland-Krise sogar den höchsten Optimismus des Jahres gemessen, haben sich dieses Mal viele Akteure nach unten abgesichert. Dennoch ist die Stimmungslage bei den institutionellen Akteuren derzeit zwar eher neutral, gemessen an dem 4,3-prozentigen Kursrückgang des DAX gegenüber der Vorwoche könnte man sie sogar noch als zu gut zu bezeichnen. Unter dem Strich bleibt jedoch festzuhalten, dass sich durch die jüngsten Absicherungen vieler Marktteilnehmer im Vergleich zur Vorwoche der Druck auf den DAX mittlerweile verringert hat, weil größere Schieflagen von der institutionellen Seite fehlen. Vielmehr könnte sich auf einem niedrigeren Niveau des DAX (vorzugsweise unter den Juli-Tiefs von 10.650 Zählern) neuerliche stützende Nachfrage der jüngsten Verkäufer einstellen.

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 12. August 2015

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

Börse Frankfurt Sentiment-Index
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Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Investoren

Institutionelle Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  43%  40%  17%
ggü. letzter Erhebung  -9%  +11%  -2%

 

    • DAX (Veränderung im Vergleich zu 5. August): 11.020 (-4,34 %)
    • Börse Frankfurt Sentiment-Index institutionelle Anleger: +3 Punkte  (-20 ggü. letzter Erhebung)
DAX-Entwicklung im betrachteten Zeitraum
DAX12082015

Private Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total 47%  31%  22%
ggü. letzter Erhebung  -4%  +1%  +3%

 

  • DAX (Veränderung im Vergleich zu 29. Juli): 11.020 (-4,34 %)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index private Anleger: +16 Punkte (-5 ggü. letzter Erhebung)