29. Juni 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Seit Anfang Mai ist der Lack ab bei den Rohstoffen: „Alle drei Haupt-Rohstoff-Indizes sind wieder bei einer Null-Performance. Die Hoffnungen richten sich nun auf das zweite Halbjahr“, bemerkt Ole Hansen von der Saxo Bank. Zu den Verlierern in diesem Jahr gehören Weizen, Erdgas, Kupfer sowie Platin und Palladium, im Plus liegen Gold und Silber, Mais, Baumwolle sowie nach wie vor auch Öl der Sorte Brent. „Die zyklische Korrekturphase bei Rohstoffen wird sich in den kommenden Monaten wahrscheinlich fortsetzen“, glaubt Heinrich Peters von der Helaba. Wachstumsdämpfung durch Ölpreisschock und Japan-Katastrophe, eine restriktivere Fiskalpolitik auch in den USA und eine, vor allem in den Schwellenländern, straffere Geldpolitik trübten das makroökonomische Umfeld weiter ein. Der ETC-Handel war in den vergangenen zwei Wochen jedenfalls von Abgaben geprägt. „Das Sentiment hat sich gedreht. Wir haben überwiegend Verkäufe gesehen, Ausnahme waren Gold und Silber“, berichtet Marco Salaorno von der Société Générale.
Preiseinbruch bei Öl
Deutlich nach unten ging es zuletzt vor allem für Öl: Zwischenzeitlich rutschte der Preis für ein Barrel der Sorte Brent auf 105 US-Dollar, vor zwei Wochen lag er noch bei fast 120. Ganz überraschend hatte die Internationale Energieagentur IEA in der vergangenen Woche mitgeteilt, bis zu 60 Millionen Barrel Öl aus den Notreserven der Industriestaaten freigeben zu wollen. Begründet wurde dies mit dem Ausfall Libyens als Öllieferant. „Es ist erst das dritte Mal in 30 Jahren, dass die IEA zu solchen Maßnahmen greift“, erläutert Hansen. Er sieht allerdings nicht Libyen als Grund für die Freigabe: „Die OPEC-Einigung über die Erhöhung der Fördermengen ist gescheitert, und das Quantitative Easing-Programm der Fed lief Ende Juni aus: Da brauchte man wohl andere Impulse, um die wirtschaftliche Erholung weltweit anzuregen.“
Öl-ETCs standen vor diesem Hintergrund vor allem auf den Verkaufslisten. Etwa trennten sich Anleger vom ETFS Brent Oil (WKN A0KRKM), wie Salaorno berichtet. Flow Traders meldet Abgaben beim ETFS Crude Oil (WKN A0KRJX), beim ETFS Leveraged Crude Oil (WKN A0V9YX) und beim ETFS WTI Oil (WKN A0KRKN). „Rohölpreise von deutlich über 100 US-Dollar je Barrel dürften erst einmal Geschichte sein“, meint Peters von der Helaba. Heute kostet ein Barrel Rohöl der Sorte Brent knapp 109 US-Dollar.
Gold als Substanzwert gefragt
Perini
Noch vergleichsweise gut gehalten hat sich der Goldpreis. In der vergangenen Woche waren die Notierungen sogar zwischenzeitlich wieder über die Marke von 1.550 US-Dollar je Feinunze geklettert, dann kam es – nach schwachen Konjunkturzahlen aus China und der IEA-Mitteilung – zu einer Abschwächung. Aktuell müssen 1.504 US-Dollar für eine Feinunze gezahlt werden. „Die Ergänzung des Vermögens durch „Substanzwerte“ scheint gerade in den asiatischen Schwellenländern immer noch hoch im Kurs zu stehen“, erklärt Peters. Außerdem gebe die erhöhte Goldnachfrage der Notenbanken strukturellen Rückenwind.
Gold-ETCs sind daher weiter angesagt, vor allem solche mit physischer Hinterlegung. Gesucht war laut Société Générale der Gold Bullion Securities (WKN A0LP78). „Aufgrund der Eurokrise und der nur langsam anlaufenden Konjunktur in den USA sehen wir trotz der Korrektur in der letzten Woche nach wie vor ein hohes Interesse an Goldprodukten“, meldet auch Florian Perini von Flow Traders (WKN A1EK0G, A0N62G). Bei Silber-ETCs (WKN A0KRJ5) hätten sich Anleger ebenfalls weiter kauffreudig gezeigt. Uneinheitlich sei das Bild hingegen bei Palladium, hier hielten sich Zu- und Abflüsse die Waage (WKN A1EK3B, A0N62E).
Schlechte Karten für Kupfer
Nicht so gut sieht es aus für die Industriemetalle, sie haben sich nach der scharfen Korrektur im Mai kaum erholt. Ihnen macht vor allem die sich abzeichnende Wachstumsabschwächung zu schaffen. Der Kupferpreis ist mit aktuell 8.995 US-Dollar je Tonne weit von seinen Hochs aus dem Februar bei fast 10.200 US-Dollar entfernt. Laut Helaba wird für die Industriemetalle insgesamt der Angebotsaufbau in den kommenden Quartalen mit einer fühlbaren Nachfrageberuhigung zusammenfallen. „Gleichzeitig dürften spekulative Lager in den kommenden Quartalen abgebaut werden. Auch die selbst in China zunehmenden strukturellen Wachstumshemmnisse sprechen eher für eine Fortsetzung der Talfahrt der Preise im zweiten Halbjahr.“ ETC-Investoren sind sich aber offenbar noch uneins: Breit aufgestellte Industriemetall-ETCs werden Flow Traders zufolge zu- und verkauft (WKN A0KRKG).
Weiter Abwärtsrisiken bei Getreide
Peters
Noch rapider bergab ging es zuletzt für den Weizenpreis. „Mit dem Abflauen der Extremwetterverhältnisse dürften die durch intransparente Marktverhältnisse, Exportbeschränkungen und Hamstern zusätzlich beflügelten Preisfantasien bei Agrarrohstoffen ihr vorläufiges Ende finden“, glaubt Peters. Für steigende Preise sprächen zwar Knappheitsängste angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, extrem niedrige Lagerbestände, der wachsende Biokraftstoffeinsatz und erhöhter Fleischkonsum in den Schwellenländern. „Gleichwohl überwiegen kurzfristig die Abwärtsrisiken.“ Die ETC-Investoren sehen das offenbar ähnlich und verabschieden sich von ihren Anlagen wie dem ETFS Grains DJ-UBSCI (WKN A0KRKF), wie Salaorno erklärt. Allerdings gibt es laut Flow Traders auch einige Anleger, die das niedrige Kursniveau ausnutzen und einsteigen (WKN A0KRJ9, A0T7M2).
Auch für breite Rohstoff-ETCs und ETFs konnten sich Investoren zuletzt nicht mehr erwärmen, wie Händler berichten. Laut Salaorno wurden zum Beispiel der EasyETF GSCI (WKN A0EAZC), der Lyxor Commodities CRB (WKN A0JC8F) und der db x-trackers DBLCI – OY Balanced (WKN DBX1LC) verkauft. Flow Traders sieht aber auch Zuflüsse bei Rohstoff-ETFs und -ETCs und spricht von einem insgesamt ausgeglichenen Bild (WKN A0JK68, A1CXBV, A0KRKC).
© 29. Juni 2011/Anna-Maria Borse