Markttechnik: Aufgeschoben, nicht aufgehoben

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30. Oktober 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nach positivem Verlauf der Börsen in den USA und Japan erklimmt der deutsche Aktienindex am heutigen Morgen abermals neue Gipfel. „Am Tag vor der Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank nahmen die internationalen Finanzmärkte eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik vorweg“, begründet die Helaba. Allerdings falle das Verhältnis von Aktien mit Kursgewinnen im Vergleich zu Aktien mit Kursverlusten nur moderat zu Gunsten der Kursgewinner aus. „Deshalb und weil die vielen negativen Divergenzen bei verschiedenen technischen Indikatoren Warnsignale senden, wird ein Richtungswechsel immer wahrscheinlicher.“

Zunächst weiter wie gehabt, bevor die Bären übernehmen, heißt es hingegen von vielen technisch orientierten Analysten mit Blick auf die mittelfristigen DAX-Aussichten. „Charttechnisch ist alles nach wie vor auf Hausse eingestellt, Umkehrformationen sind noch nicht zu erkennen“, meint etwa Gregor Bauer. „Kritisch wird es erst, wenn die Unterstützungsbereiche um 8.700 Punkte und in Folge insbesondere die Marke von 8.550 Punkten unterschritten werden sollten.“

DAX-Bären ohne Eile

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Wenner

Zwar erkennt auch Franz-Georg Wenner die Gefahr einer Korrektur im deutschen Aktienindex. „Auf Basis von Marktindikatoren wie dem DSS Bressert oder die Anzahl der Aktien, die über ihrem kurz- bis mittelfristigen gleitenden Durchschnitt notieren, ist der DAX zwar bereits überhitzt, allerdings stehen einer unmittelbaren Konsolidierung neue Bestmarken an der Wall Street entgegen“, erklärt der Betreiber des Portals chartanalysen-online.de. Deshalb rät der technische Analyst Anlegern, nicht zu früh auf die Short-Seite zu wechseln.

„Never short a dull market, oder anders ausgedrückt: Shorte niemals einen dummen Markt“ zitiert Wenner den Autor Jesse Livermore in seinem Börsenbuch ‚Das Spiel der Spiele‘. „Eine Übertreibungshase kann länger andauern als erwartet und lässt sich technisch kaum prognostizieren.“ Grundsätzlich bleibe ein bereinigendes Gewitter zwar nur eine Frage der Zeit. Bis eindeutige Signale einer Umkehr zu erkennen sind, biete es sich dennoch an, mit dem Strom schwimmen. „Hier ist die Tendenz ganz klar nach oben gerichtet.“

Beistand von der Wall Street

Unterstützung bekommen die DAX-Bullen auch von der Wall Street, wie Wenner ausführt. „Der S&P 500 notiert seit 2009 in einem Aufwärtskanal, wobei zuletzt mehrfach die obere Begrenzung der Spanne vergeblich getestet wurde.“ Den sich abzeichnenden Ausbruch auf der Oberseite wertet der Charttechniker als Indizes für eine Trendbeschleunigung. Kurzfristig sei dies klar bullisch, mittel- bis längerfristig zeichne sich auch hier eine Übertreibungsphase ab, die unweigerlich zu einer deutlichen Korrektur führen würde. „Zumindest bis zum Jahresende spielt die Statistik den Optimisten in die Karten.“ In 82 Prozent der Fälle habe der S&P 500 auf einen freundlichen Januar bis September-Zeitraum einen guten Schlussspurt in den letzten drei Monaten hingelegt. „Die Trefferquote für weitere Kursgewinne im Dezember liegt bei 79 Prozent.“

Gut unterstützt

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Scherer

Nachdem es dem DAX relativ leicht gefallen sei, sich oberhalb der Marke von 9.000 Zählern festzusetzen, sieht Jörg Scherer von der HSBC das kalkulatorische Kursziel bei 9.100 Punkten. „Abgeleitet wird dies aus der am 10. Oktober nach oben aufgelösten Korrekturflagge.“ Besonders ein Spurt über die jüngsten drei Tageshochs zwischen 9.011 und 9.022 DAX-Punkten sorge in diesem Zusammenhang für ein erneutes prozyklisches Kaufsignal. Auch Scherer erkennt in der Entwicklung des S&P 500, der von einem Allzeithoch zum nächsten eile, eine Unterstützung für den deutschen Leitindex.

„Auf der Unterseite fungiert die jüngste Aufwärtslücke bei 8.951 bzw. 8.933 Punkten als erster Auffangbereich.“ Charttechnisch schwerer wöge, wenn die DAX-Bullen die Unterstützung aus dem ehemaligen Rekordhoch bei 8.770 Punkten und der Aufwärtskurslücke vom 15. Oktober bei 8.757 bzw. 8.728 Zählern preisgeben müssten.

Anleger bleiben zuversichtlich

Auch die Stimmung bei den 900 wöchentlich von der Börse Frankfurt befragten aktiven Anlegern bleibt optimistisch bezüglich der DAX-Entwicklung. Der Bull/Bear-Index der Profis steigt leicht von 50,6 Punkte auf 51,1 Punkte und bleibt damit knapp oberhalb Marke von 50, die Optimisten und Pessimisten voneinander trennt. 1 Prozent der Befragten verlassen das neutrale Lager und gehen nun Long. Damit haben die Bullen mit 39 Prozent das größte Gewicht.

Die Laune der Privatanleger verbessert sich ebenfalls, der Bull/Bear-Index steigt von 56,3 Punkten auf 58,9 Punkte. 4 Prozent der Befragten verlassen die Gruppe der Pessimisten, 1 Prozent wechseln zu den Optimisten, die mit einem Anteil von 50 Prozent die stärkste Gruppe bilden. 3 Prozent entscheiden sich für die Seitenlinie.

Der Index misst den absoluten Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 30. Oktober 2013