Markttechnik: Bodenbildung ungewiss

12. Oktober 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Innerhalb weniger Wochen hat der DAX einen Sprung von fast 800 Punkten gewagt und kratzt wieder an der Marke von 6.000 Zählern. Technische Analysten schätzen die Chancen auf eine nachhaltige Genesung für den DAX dennoch eher gering ein. Anders beurteilen dies die von der Börse Frankfurt befragten Investoren, die sowohl für die Technologie- als auch die Standardwerte eine positive Entwicklung auf Vierwochensicht erwarten.

Ende der Korrektur im Blick



Schmidt

Die Hürden für weitere Korrektursprünge nach oben bezeichnet Christian Schmidt von der Helaba als hoch. Angesichts der jüngsten Korrekturbewegung im DAX von 4.965 Zählern zurück in den Bereich von 5.800 bzw. 5.900 Punkten mehrten sich zwar die optimistischen Stimmen zu den weiteren Aussichten der Aktienmärkte. „Ein Blick auf den längerfristigen DAX-Chart mahnt aber zur Vorsicht“, glaubt der technische Analyst. Es seien immer dann sehr nachhaltige Bewegungen entstanden, wenn sich 21-Wochen-Durchschnitt und 55-Wochen-Durchschnitt im Chart kreuzten und gleichzeitig die AD-Linie die Signallinie in die gleiche Richtung schnitten.

„Diese Idealkonstellation war im Juli diesen Jahres zu Beginn der Verkaufswelle gegeben“, beobachtet Schmidt. Zudem verdeutliche die Richtung von AD-Linie und gleitender Durchschnitte den übergeordneten Trend. AD-Linie steht für Advance-Decline-Linie, ein quantitativer Trendindikator, der als Zeitreihe der kumulierten, wöchentlichen Differenzen zwischen der Anzahl gestiegener und der Anzahl gefallener Aktien berechnet wird. „Sowohl die genannten gleitenden Durchschnitte als auch die AD-Linie zeigen derzeit nach unten, wodurch ein übergeordneter Abwärtstrend zu definieren ist und perspektivisch ein negatives Chance-Risikoprofil vorliegt“, glaubt Schmidt.

Es werde sich Schmidt zufolge in Kürze herausstellen, ob die Aufwärtsimpulsbewegung hier ende oder ob Kursziele jenseits der 6.000 Punkte im DAX angepeilt werden könnten. Die nun relevante Widerstands-Marke von 5,871 Zählern im deutschen Aktienbarometer decke sich nahezu mit dem 50-Prozent-Retracement bei 5.889 Punkten aus der Bewegung zum Hoch bei 8.151 Punkten vom 2009er Tief bei 3.590 Zählern aus. „Da sehr viele Erholungsbewegungen im Bereich des 50-Prozent-Retracements enden, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies auch aktuell der Fall sein wird“, gibt Schmidt zu Bedenken.

Schwaches Fundament für DAX-Gegenbewegung


Deppermann

In der Erholung im DAX seit dem 12. September erkennt auch Klaus Deppermann von der BHF Bank eine eher kurzfristige Erscheinung. „Technisch steht die Bewegung nach oben auf schwachen Beinen“, meint der Analyst, der innerhalb der kommenden Wochen neue Jahrestiefstände in Aussicht stellt. Denn an der langfristigen Baisse im deutschen Barometer bestehe kein Zweifel. „Wichtige Indizes in Europa und USA notieren nach einer mehrmonatigen Topbildungsphase deutlich unterhalb ihrer fallenden 200-Tage-Linien“, unterstreicht Deppermann.

Nur wenn kurz- und mittelfristige Indikatoren eine sehr eindeutig positive Bewertung erfahren würden, könne ein Engagement gegen den fallenden Primär- und den langfristigen Abwärtstrend gerechtfertigt werden. „Zudem findet in den ersten Monaten einer Baisse selten eine nachhaltige Gegenbewegung statt“ gibt Deppermann zu bedenken. Im Bärenmarkt von März 2000 bis März 2003 habe es beispielsweise erst im April 2001 eine nennenswerte Kehrtwende gegeben. „Der Anstieg hat dann nur wenige Wochen angedauert“, vergleicht Deppermann die beiden Krisenverläufe.

Optimistisch gestimmte Investoren hofften zwar, dass sich die Seitwärtsbewegung der vergangenen zwei Monate als erfolgreiche Bodenbildung herauskristallisiert. „Diese Variante ist aber eher unwahrscheinlich“, vermutet Deppermann. Nach der
mehrmonatigen Topbildungsphase und dem massiven Abwärtsimpuls Ende Juli und Anfang August sei eine Seitwärtsphase, wie wir sie derzeit erleben, eine typische Entwicklung. “Das hektische Hin und Her interpretieren wir als Konsolidierungsphase im Abwärtstrend“, meint der Analyst.

Anleger weiterhin optimistisch

Den Investoren scheinen jedenfalls deutsche Standardtitel schon teuer genug zu sein. Der Bull/Bear-Index für die deutschen Bluechips hält sich mit 57,2 im Vergleich zu 60,6 Punkte in der Vorwoche zwar im positiven Bereich, wie aktuelle Befragung von 300 professionellen Anlegern ergibt. Aber immerhin 7 Prozent der Anleger sind gegenüber der Vorwoche jetzt short, die zuvor nicht im Markt waren. 1 Prozent ist zu den den Bullen gewechselt.

Ganz anders sieht das beim TecDAX aus, denn hier haben die Bullen j10 Prozent der Befragten zu sich gezogen. 5 Prozent waren zuvor short und 5 Prozent nicht engagiert. Der Bull/Bear-Index für Technologiewerte steigt auf 66,4 Punkte von zuvor 55,7 Punkte.

Der Bull/Bear-Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei www.boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

© 12. Oktober 2011 / Iris Merker