Markttechnik: Neue Jahrestiefs befürchtet

23. November 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Überschuldung in Europa und den USA sowie rückläufige Wachstumsraten: Die Fundamentalanalyse gibt derzeit wenig Anlass zu Zuversicht. Doch auch charttechnisch stehen die Ampeln auf Rot, das meint zumindest das Gros der technisch orientierten Analysten. Nach der Seitwärtsbewegung beim DAX in der ersten Novemberhälfte durchbrach das Aktienbarometer mit den jüngsten Kursverlusten nämlich wichtige Haltezonen. Aus einem friedlichen und versöhnlichen Jahresausklang scheint somit nichts zu werden. Auch die Anlegerstimmung ist mittlerweile im Keller, wie die aktuelle Umfrage der Börse Frankfurt zeigt. 57 Prozent der Interviewten erwarten neutrale bis fallende Kurse, bei den Technologiewerten sind das sogar 65 Prozent.

Weiterer Abgabedruck

Auch Martin Siegert sieht für den deutschen Aktienmarkt im Moment eher schwarz: „Mit Erreichen des gestrigen Tagestiefs im Bereich der 5.537er Marke hat der DAX die Unterstützungslinie der seit Wochen an dieser Stelle dargelegten Bärenflagge getestet“, erklärt der technische Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Bricht der Index mit einem Tagesschluss aus dieser Formation aus und unterschreitet dann die 5.465er Marke, bringe aus Sicht der klassischen Formationslehre weiteren Verkaufsdruck mit sich. Eine Bärenflagge ist ein nach oben gerichtetes Parallelogramm und gilt als bearish, weil sie einen Abwärtstrend unterbricht, bevor es zu weiteren Kursverlusten kommt.

Letzte Chance zum Ankern


Siegert

Siegert zufolge findet der DAX im günstigsten Fall Halt im Bereich der Zone von 5.200/5.125 Punkten. „Hierbei handelt es sich aber um die letzte Ankermöglichkeit stromabwärts.“ Sollte dies misslingen, stehe einem erneuten Test der 5.000er Zone, beziehungsweise neuen Jahrestiefs nichts im Wege.

Deutlichen Widerstand an der Oberseite bilde mit Ausbruch aus der Bärenflagge das Preisniveau der vormaligen Unterstützungslinie um 5.540 Punkte, beziehungsweise im danach die Zone um 5.681/5.771 Zähler. „Sollte bereits die Rückkehr in die Formation nicht gelingen, verstärkt sich der Abwärtsdruck.“ Nur ein Preissprint über 5.771 Punkte helle das Chartbild auf.

Abwärtstrend hat Bestand

Nach Ansicht von Sophia Wurm von der Commerzbank ist der kurzfristige Abwärtstrend beim DAX nach wie vor intakt, sie sieht aber Chancen auf eine zwischenzeitliche Stabilisierung. Wurm zufolge ist der DAX im August nach einer 28-monatigen Hausse-Bewegung in eine technische Baisse übergegangen. „Nach dem Rutsch in die gestaffelte, langfristige Unterstützungszone bei 4.950/5.000 bis 5.300 Indexpunkten stabilisierte sich der DAX und durchlief eine ausgeprägte Erholung bis in den Bereich der Widerstandszone bei 6.400 bis 6.440 Punkten.“

Pause auf dem Weg nach unten


Wurm

Diese Erholung habe das Aktienbarometer aber zuletzt beendet und sei in einen kurzfristigen Abwärtstrend eingetreten. „Einerseits hat dieser kurzfristige Abwärtstrend zunächst weiter Bestand“, meint die Charttechnikerin. „Andererseits sollte der DAX nach den Kursverlusten der Vortage aus technischer Sicht die Chance auf eine kurzfristige Stabilisierung, etwa im Umfeld der Marke um 5.500 Punkte, haben.“ Mittelfristig geht die Commerzbank weiterhin von Kursen oberhalb von 4.950/5.000 Punkten aus. „Ein neues übergeordnetes Verkaufssignal würde erst beim Unterschreiten dieser Zone auftreten. Damit rechnen wir aber zunächst nicht.“

Miese Stimmung der Investoren

Die Stimmung der Anleger hat sich unterdessen nochmals deutlich eingetrübt, wie die aktuelle Befragung der Börse Frankfurt bei 300 professionellen Investoren zeigt. Der Bull/Bear-Index für deutsche Bluechips ist von 57,8 auf 51,1 Punkte gesackt und liegt damit gefährlich nahe an der Optimisten von Pessimisten trennenden 50 Prozent-Linie. Das Bärenlager hat um satte 9 Prozent zugelegt, zwei Drittel der Befragten haben ihre neutrale Haltung aufgegeben, ein Drittel die optimistische.

Bei den Technologiewerten ist die Stimmung bereits in der Vorwache ins negative Terrain gefallen, jetzt geht es noch weiter nach unten. Der Bull/Bear-Index ist von 47,1 auf 42,1 Punkte gefallen. Hier wechselten 7 Prozent der Befragten zu den Bären über.

Der Bull/Bear-Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei www.boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

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© 23. November 2011/Anna-Maria Borse