Markttechnik: Zeichen stehen auf Sturm

2. November 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Bereits in der vergangenen Woche warnten zahlreiche technisch orientierte Analysten vor zu viel Euphorie, durch die Entwicklung der vergangenen Tage fühlen sie sich nun bestätigt. Dem Höhenflug am deutsche Aktienmarkt am vergangenen Donnerstag folgte eine Seitwärtsbewegung und am gestrigen Dienstag ein erneuter Absturz deutlich unter die Marke von 6.000 Zählern. „Ein Abdriften in den Bereich von 5.400 Punkten ist in den kommenden Tagen durchaus wahrscheinlich“, meint nun etwa Christoph Geyer von der Commerzbank. Auch die Stimmung der Anleger hat sich verdüstert, bei DAX-Werten ist der Pessimismus ebenso hoch wie der Optimismus.

Warnzeichen lassen nichts Gutes vermuten


Geyer

Die Helaba hatte zuletzt mehrmals darauf hingewiesen, dass ihrer Einschätzung nach der übergeordnete Abwärtstrend auf Wochenbasis intakt und das maximale Kursziel der Impulsbewegung bei 6.300/6.437 Zählern zu taxieren ist. „Mittlerweile wissen wir, dass das letzte Impulshoch bei 6.430 Punkten und damit knapp unterhalb der definierten Maximalmarke erreicht wurde“, erklärt Christian Schmidt. Eine obere Wendeformation mit einem so genannten „evening star“ sei entstanden, eine Konstellation am Ende einer Aufwärtsentwicklung, die in der Regel sehr nachhaltige Bewegungen nach sich zieht. „Einen Vorgeschmack haben wir gestern bereits bekommen“, ergänzt der Charttechniker.

Dieser Eindruck werde auch von dem entstandenen „breakaway gap“ und dem Eintritt in eine wichtige Unterstützungszone untermauert. Unter einem „breakaway gap“ verstehen technische Analysten eine Situation, in der der Kurs eine Formationsbegrenzung oder eine Trendlinie mittels einer Kurslücke durchbricht.

Kursziele eher auf der Unterseite


Schmidt

Gleichzeitig habe eine ganze Reihe von gleitenden Durchschnitten nach unten gedreht, was, neben dem Richtungswechsel beim Dynamik Momentum Index, auf eine hohe Bewegungsdynamik hindeute. „Entsprechend gilt es, die nächsten Kurszielmarken auf der Unterseite zu definieren“, resümiert Schmidt. Erste, sehr wichtige Unterstützungen fänden sich bei 5.702 und 5.625 Zählern, jeweils in Form eines Clusters, der auf unterschiedliche Methoden wie Fibonacci, Quadratur der Zahl oder Gann zurückzuführen sei. „Nach einem Bruch dieser Unterstützungen würde weiteres Abwärtspotenzial in Richtung der beachtenswerten Marken bei 5.476, 5.329, 5.295 und 5.184 Punkten entstehen.“ Auf der Oberseite ließen sich Widerstände bei 5.972, 6.028 und 6.106 Zählern definieren.

Einiges spricht für Gewinnmitnahmen

Dem freien technische Analysten Stefan Salomon zufolge ist ein sauberer langfristiger Trend derzeit nicht auszumachen. „Klar ist, dass der DAX im August seinen seit Anfang 2009 laufenden Aufwärtstrend nach unten verlassen hat“, erklärt der Charttechniker. Der Bruch der Marke von 5.000 Zählern sei jedoch eine deutliche Übertreibung nach unten gewesen. „Die hierauf einsetzende Erholungsbewegung an die 6.000er-Marke darf daher als normal betrachtet werden.“

Auf Ungemach deute unterdessen die japanische Chartanalyse mit Candlesticks hin. „So zeigt das übergeordnete Chartbild der Monatskerzen im August eine ausgesprochen lange schwarze Kerze, die eindeutig negativ zu interpretieren ist.“ Die Mitte des langen schwarzen Kerzenkörpers stelle ein kräftiges Widerstandsniveau dar, konkret der Bereich zwischen etwa 6.384 bis 6.626 Punkten. Daneben wäre auch das Gap, also die Kurslücke, wie sie etwa durch den Einbruch am gestrigen Dienstag entstanden sei, kein gutes Zeichen, glaubt Salomon. Solange die Oberkante des GAPs bei 6.141 Punkten nicht per Tagesschlusskurs wieder überwunden werde, sollten Erholungen im kurzfristigen Bild verkauft werden.

Neue Hausse nicht zu erwarten

Salomons Fazit: Die Nervosität im Markt sei derzeit zwar sehr hoch, aus langfristiger Sicht bestehe aber noch die Chance auf Kurse von 6.500 bis 6.600 zum Jahresende. „Ein erstes Signal für eine entsprechende Erholung ergibt sich bei einem Anstieg über 6.141 Punkte.“ Doch auch bei einem entsprechend positiven Szenario sollten Anleger im Bereich von 6.600/6.500 Punkten auf Verkaufssignale achten. „Aus aktueller Sicht ist nicht mit einer Neuauflage der Aufwärtsbewegung der Jahre 2009 und 2010 zu rechnen“. Ein neuer Abwärtsschub des DAX sollte zwischen etwa 5.000 bis 5.400 Punkten aufgefangen werden.

Anlegerstimmung geht in den Keller

Unterdessen hat sich die Stimmung der Anleger eingetrübt, wie die aktuelle Befragung der Börse Frankfurt bei 300 professionellen Anlegern zeigt. Der Bull/Bear-Index für deutsche Bluechips ist von 54,4 auf 50 Punkte gesunken und liegt damit genau auf der Optimismus von Pessimismus trennenden Wegmarke. 4 Prozent der vormals bullishen Investoren wechselten ins bearishe Lager, unter dem Strich stehen jetzt genau 39 Prozent Bullen ebenso vielen Bären gegenüber. Auch für die Technologiewerte ist der Bull/Bear-Index deutlich gefallen, und zwar von 59,3 auf 53,6 Punkte, hier liefen 8 Prozent der Optimisten ins neutrale Camp über.

Der Bull/Bear-Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei www.boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

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© 2. November 2011 / Anna-Maria Borse