Peeters: „Wird nun die Liquidität abgeschöpft?“

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Peeters

7. April 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Brummende Konjunktur hin, moderate Bewertung her. Der unverändert maßgebliche Impulsgeber an den Aktienmärkten sowie den Kapitalmärkten insgesamt ist die durch Notenbanken und Politik bewusst herbei geführte, außerordentlich gute Ausstattung der Märkte mit Liquidität, wie an dieser Stelle bereits mehrfach erwähnt. Genau aus diesem Grunde werden aktuelle Geschehnisse, die dieses Fundament zumindest mittelfristig erschüttern können, von der Anlegerschaft mit Argusaugen verfolgt. Markante Beispiele sind soeben erfolgte Zinswende im Einflussbereich der Europäischen Zentralbank und die Spekulation, was in Amerika nach dem Auslauf der Anleihekaufprogramme durch die Notenbank passieren wird.

Aspekte wie die beiden Genannten unterstreichen die Gefahr eines Versiegens des Zustroms an neuem Geld. Doch könnte das Ende auch von der gegenteiligen Seite erfolgen, etwa genau dann, wenn in einem Übermaß die Liquidität abgeschöpft wird, beispielsweise durch einen massiven Anstieg der Zahl von hochvolumigen Kapitalerhöhungen. Bildlich gesprochen könnte es also zu einer Situation kommen, in der die „Kerze von beiden Seiten brennt.“

Noch wäre es verfrüht, von solch einer Situation zu sprechen, weil das erst vor kurzem abgelaufene erste Quartal 2011 noch von einer moderaten Anzahl von Kapitalerhöhungen und auch einer insbesondere in Deutschland eher schon enttäuschend geringen Anzahl von Börsengängen geprägt war. Gleichwohl sollten die Zeichen der Zeit erkannt werden. Die kürzlich angekündigte Kapitalmaßnahme beim Automobilhersteller Porsche sowie die in dieser Woche adressierte Kapitalerhöhung der Commerzbank, die beide ein substanzielles Milliardenvolumen innehaben, sind hier klare Indikationen für eine veränderte Situation.

In beiden Fällen stand außer Frage, dass es über kurz oder lang zu diesen großen „Schlücken aus der Pulle“ kommen würde, nur war der Zeitpunkt offen. Dass sich nun, just nachdem sich die größte Verunsicherung im Zusammenhang mit der Katastrophe in Japan zu legen scheint, ein aus Sicht Kapital suchender Unternehmen attraktives Fenster geöffnet hat, steht auch aus saisonalen Gründen (üblicherweise ist der Kapitalmarkt im Frühjahr und Herbst am Ergiebigsten) außer Frage. Die Gretchenfrage lautet jedoch: „Wie lang steht dieses Fenster offen?“

Und bei der Beantwortung dieser Frage kann in der Tat munter spekuliert werden, doch gibt es keinen Anlass zu einer überzogenen Sorge. Auch wenn die Aktivität sich erhöht hat, ist sie immer noch auf einem moderaten Niveau. Darüber hinaus gibt es ja insbesondere in den kommenden Monaten einen gegensätzlichen Strom von Kapital von börsennotierten Firmen hin zu den Anlegern, und zwar in Form der alljährlichen Dividendenzahlungen, die zumeist im Frühjahr erfolgen. Entwarnung kommt auch von der Bewertungsseite. Die meisten Börsennotierungen befinden sich auf einem moderaten Level, Maßnahmen werden zudem üblicherweise mit Discounts durchgeführt.

Fazit: Es besteht kein Anlass, dem Anstieg des Kapitalhungers vieler Firmen mit Angst zu begegnen. Dennoch bietet es sich an, dass Geschehen hier kritisch und aufmerksam zu verfolgen. Denn wenn hier die Stimmung kippt und viele Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können, hätte sich das Umfeld augenscheinlich verschlechtert. In diesem Fall sollte auch die Frage zu stellen sein, ob die Märkte nicht reif für eine erneute Korrektur wären. Ob dies an einem zu großen Hunger der Gesellschaften oder einer tatsächlich erfolgten zu starken Drosselung der Liquidität läge, wäre dann irrelevant. Aber so weit ist es wie gesagt noch nicht.

© 7. April 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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