Peeters: Geht noch was zum Jahresende?


Peeters

16. Dezember 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). In den vergangenen Handelstagen konnten die „Bären“ auf dem Börsenparkett wieder einiges Terrain zurück erobern. Technisch hat sich die Situation bei vielen Aktienindizes zuletzt eher eingetrübt und an vielen Orten machen sich Mut- und Hoffnungslosigkeit breit. Eine nachhaltige Jahresendrally scheint irgendwie in weite Ferne gerückt. Oder besteht doch Hoffnung?

Zumindest wäre es unangebracht, jetzt die Flinte ins Korn zu werfen. Denn auch vor dem Hintergrund anhaltender fundamentaler Risiken gibt es eigentlich in jeder Marktphase Chancen für kurzfristige und mitunter steile Gegenbewegungen. Natürlich sprechen wir hier nicht von nachhaltigen Trendwenden und ebenso sind solche Rallys nicht gewiss (wie an den Börsen ohnehin nichts gewiss ist außer der Ungewissheit), doch sind die Voraussetzungen erfüllt.

Wichtig dabei ist es, die Logik von Jahresschlussrallys zu verstehen: Spürbare kurzfristige Kursschübe zu dieser Zeit hängen in den seltensten Fällen mit übergeordneten Auf- oder Abwärtstrends zusammen. Während mittelfristige Trends von wenigen Jahren oftmals den Konjunkturzyklus und die einhergehende Gewinnentwicklung der Unternehmen reflektieren und Langfristtrends über Jahrzehnte vielfach fundamentalen Verschiebungen in einer Volkswirtschaft (Strukturwandel, Demographie) entsprechen, geht es in diesen kurzen Bewegungen weniger um die (Anlage-)Objekte, sondern mehr um die handelnden Subjekte.

Denn diese ziehen sich für gewöhnlich zu einem großen Teil aus dem Marktgeschehen zurück, etwa um das Jahr buchhalterisch abzuschließen oder schlicht um die ruhige Zeit für einige Tage Urlaub zu nutzen. Dadurch sinkt die Grundliquidität und die Manipulierbarkeit der Märkte steigt, was schon mal die erste Voraussetzung für dieses saisonale Muster ist.

Die gesunkene Grundliquidität fällt zusammen mit einem vorhandenen Interesse, kurz vor dem Jahreswechsel noch mal die Performance „aufzuhübschen“ und das Depot auch in seiner Zusammensetzung kosmetisch zu optimieren. Das so genannte „Window Dressing“ hat in guten wie schlechten Zeiten seine Berechtigung und fällt in den wenigsten Jahren aus. Ebenso nahezu sicher sind umfassende Liquiditätszuflüsse in Fonds etwa aus monatlichen und jährlichen Sparplänen zum Jahreswechsel. Dieser Effekt sichert gewöhnlich die Performance in den ersten Handelstagen, zumal hier im Gegenzug kein Kapital durch Kapitalerhöhungen oder ähnliches absorbiert wird.

Ist somit eine (wohlgemerkt temporäre) Aufwärtsbewegung im späten Dezember und frühen Januar ausgemachte Sache? Das natürlich nicht, aber die Chancen bestehen aus den genannten Gründen durchaus. Das größte Hindernis ist der Aspekt, welcher die Börsen seit Monaten in Atem hält: Die Schuldenkrise in den Industriestaaten. Kommt es hier weiter zu plötzlichen Verwerfungen wie etwa deutlichen Ratingabstufungen, so wäre die Schlussrally-Systematik bereits vom Grund auf verworfen, denn dann würde etwa die Liquidität hoch bleiben. Aber so muss es nicht kommen und deshalb ist eine interessante Option für Börsianer, die kommenden drei Wochen eng zu verfolgen.

© 16. Dezember 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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