Peeters: Griechenland steckt in der Sackgasse, aber nicht allein


Peeters

3. November 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es ist gleichermaßen faszinierend wie erschreckend, wie gravierend die Auswirkungen der Griechenland-Krise auf die Europa, die USA und die komplette Welt sind. Obgleich der südosteuropäische Staat bereits in Relation zum restlichen Europa (geschweige denn zur ganzen Welt) wirtschaftlich kaum eine Bedeutung spielt, sorgen die Spekulationen um eine wie auch immer gestaltete Pleite des Landes für massive Verwerfungen an den Märkten. Binnen kürzester Zeit schwanken Aktienindizes im zweistelligen Prozentbereich. Auch im Devisenmarkt kam es zu drastischen Ausschlägen.

Dabei lösen sich Erleichterung und Panik zudem noch mit einer bemerkenswert kurzen Halbwertszeit ab. An nahezu allen großen Aktienindizes, insbesondere denen, die in nennenswertem Umfang Bankaktien enthalten, ist diese Fieberkurve der „griechischen Grippe“ sehr gut ablesbar. Dass die Sorgen über einen Kollaps des Landes die Märkte belasten, respektive Hoffnungen auf eine Besserung der Lage für neuen Schwung sorgen, ist inhaltlich absolut nachvollziehbar. Doch sei die Frage erlaubt, ob die Dimension der Verwerfungen an den Märkten in Relation zur Bedeutung Griechenlands nicht überzogen ist.

Gemessen an der absoluten Größe vielleicht, doch gibt es auch Faktoren, die solch eine „Hebelwirkung“ rechtfertigen. Die sehr umfassende und intransparente Verflechtung im Finanzsystem ist hier zu nennen. Auch ist die absolute Schuldenlast durchaus auf einem Level jenseits aller Bagatellgrenzen. Zudem schwirrt in den Köpfen der Investoren stets eine Art Dominoeffekt herum. Die eigentliche Sorge galt dann weniger den bankrotten Griechen, sondern anderen größeren Mittelmeeranrainern, die vielleicht ebenso in die Bredouille kommen.

Und genau hier lohnt es sich, die Gedanken zu vertiefen. Denn Griechenland ist ein Land, das ohne Zweifel in einer Sackgasse feststeckt, doch fahren noch viele andere Staaten diesen Weg, sind lediglich nur weiter vom Ende der Sackgasse entfernt, um bei dem Bild zu bleiben. Die Liste derer, die sich das traurige Ende des Griechenland-Debakels auch aus Eigeninteresse genau anschauen sollten, erschöpft sich beileibe nicht mit Italien oder Irland. Genau genommen kämpfen praktisch alle Industrienationen mit zu hohen Schuldenbergen.

Vieles. was heute Griechenland betrifft, könnte in der Zukunft deckungsgleich in den USA, Frankreich oder Deutschland auftreten, insbesondere wenn sich die Einstellung der Staatenlenker gegenüber der süßen Droge Staatsschuld nicht ändert. Doch dies ist wohl leichter gesagt als getan, denn solange in der Breite des Volkes vielleicht die Schulden selbst als Problem anerkannt sind, die nötigen Reformen jedoch stets mehrheitlich abgelehnt werden, kann kein Politiker, der wiedergewählt werden will, das Problem ernsthaft angehen. Zu fern scheinen den Bürgern die stillen Lasten der Staatsschuld, für die man irgendwann mal gerade stehen muss.

Wie auch immer es in Griechenland weitergeht in den kommenden Wochen und Monaten: Hier ist eine Art von „Zahltag“ eingetreten und die Konsequenzen sind für alle bitter: Für das Volk, welches sich viel zu viel Geld lieh und auch für die Geldgeber, die zu leichtfertig Kredite vergeben haben. Wenn die Entwicklung in Griechenland für etwas gut war, dann für einen möglichen „Lehr-Effekt“, der im besten Fall dafür sorgt, dass eine Staats-Entschuldung auch in der Breite von der Bevölkerung getragen wird. Denn eins ist sicher: Sollte sich das Thema in wenigen Jahren in ähnlicher Form bei richtig großen Staaten wiederholen, werden wir erkennen müssen, dass die heutigen Schwankungen an den Märkten im Vergleich doch eher klein waren.

© 3. November 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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