Peeters: Ratingagenturen am Pranger


Peeters

17. November 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Mittlerweile ist der Wind, der den drei großen Rating-Agenturen von Seiten der Politik entgegenweht, ausgesprochen stark und frostig, passend zur Jahreszeit. Spätestens mit dem Fauxpax des Rating-Riesen S&P mit der vermeintlichen Herabstufung Frankreichs, schlagen die Wogen hoch. Die Diskussion über eine Änderung der bisherigen Rating-Landschaft nimmt dabei mittlerweile eine Vielzahl von Facetten ein.

Zur Debatte steht etwa der Aufbau eines europäischen Gegengewichts zu den US-Riesen. Trotz scheint dieser seit Jahren immer wieder laut ausgesprochene Gedanke an den dann nötigen und nicht unbeträchtlichen Anfangsinvestitionen scheitern. Zudem ist nicht per se planbar, wie groß die Akzeptanz solch einer Agentur dann in der Finanzwelt selbst sein wird.

Neuere Gedanken, die etwa nun in der EU-Kommission diskutiert wurden, sind ungleich radikaler: Es stand im Raum, Ratings von kriselnden EU-Staaten zeitweise auszusetzen, anders gesagt zu verbieten. Auch wenn dieser Vorschlag schlussendlich keine Mehrheit in den Gremien fand, so ist es doch überaus bemerkenswert, dass derartige Pläne in solch entscheidenden Institutionen bereits diskutiert werden.

Sicherlich ist nachvollziehbar, dass viele Regierungen betroffener Staaten mit kritischen Noten von Rating-Agenturen so ihre Schwierigkeiten haben. Und durchaus müssen sich Rating-Agenturen vorhalten lassen, dass sie oft eher spät und somit ungewollt prozyklisch agieren. Geraten Staaten in ernsthafte Schwierigkeiten, kommt das Downgrade oft erst im Nachhinein und wirkt somit wie eine Art Brandverstärker. Zudem werfen Kritiker den großen Agenturen vereinzelt Intransparenz vor, was mit einer gewissen Beliebigkeit der Bewertung einher gehen kann.

Doch was sind all diese Facetten im Vergleich mit einem Markt, in dem niemand Neutrales mehr überprüft, wie zahlungskräftig Staaten als Schuldner eigentlich sind? Wie groß ist die Einflussnahme der Politik in solch einem Umfeld, in dem derjenige, der Schulden hat oder machen will einem neutralen Gutachter die Arbeit untersagt? Bildlich gesprochen drängt sich der Vergleich auf, Eltern von versetzungsgefährdeten Kindern intervenierten nun beim Direktor mit dem Ziel, dass der Lehrer keine Noten mehr geben dürfe, da diese die Konzentration ihrer Kinder schädigten.

Abgesehen davon, dass solch ein Vorstoß in der Praxis scheitern müsste, weil Rating-Agenturen global agieren und der Arm der EU nicht so weit reicht, führt eine solche Debatte in die völlig falsche Richtung. Man kann Rating-Agenturen neue Regeln in puncto Transparenz auferlegen oder auch staatliche Gegengewichte aufbauen. Aber mit einem faktischen Verbot von schlechten Ratings würde man ja auch nur in anderer Weise ausdrücken, dass Anleger spätestens mit dem Eintritt dieses Rating-Verbots einen großen Bogen um die betroffenen Anleihen machen müssen.

Fazit: Jede Maßnahme die dazu dient, wieder Ruhe in die Märkte zu bekommen, ist eine Gute. Doch solch Verbote gehören nicht dazu. Und ganz generell sollte der Fokus natürlich darauf liegen, dass Staatenlenker vermeiden, überhaupt in solch Überschuldungsszenarien abzurutschen.

© 3. November 2011/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der „Platow Börse“ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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