Peeters: "Was uns die Achterbahnfahrt an Chinas Börsen lehrt…"

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Peeters

10. Juli. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Vor zwei Wochen lautete die Frage an dieser Stelle: „Was folgt dem Dauerbrenner Griechenland in den Schlagzeilen?“. Auch wenn das Drama in Südosteuropa offensichtlich noch nicht beim letzten Akt angekommen ist, scheint sich mehr und mehr eine Schwerpunktverlagerung in Richtung China anzubahnen. Das dortige Auf- und Ab hält zunehmend die Anlegerschaft auch international in Atem und bestimmt auch mehr und mehr die Schlagzeilen der Finanzpresse. Und in der Tat ist das Thema auch interessant, weil es ob seiner recht drastischen und schnellen Abfolge mitunter auch generelle Rückschlüsse zur Interdependenz von Kapitalmärkten und Wirtschaft erlaubt.

Bemerkenswert sind schon alleine die Dimensionen, wie sich die Preise und somit auch das theoretische Aktienvermögen binnen kurzer Zeit nach oben und wieder nach unten verschoben haben. Und diese Entwicklung wird noch durch aggressive Schlagzeilen überskiziert. Musterbeispiel hierfür ist die auch beim jüngsten Sturz in China hier oft gebräuchliche Formulierung, dass „Billionen Euro an Anlegergeldern vernichtet worden sind“. Das ist ebenso unsinnig wie inkonsistent, zumal die Indizes wirklich nur (in Teilen) das verloren haben, was im Jahr 2015 zuvor gewonnen wurde. Die Schlagzeile, dass „Billionen Euro an Werten geschaffen wurden“ war vorher aber nirgendwo zu lesen.

Doch diese scharfe Rhetorik enthält einen wahren Kern. Denn auch wenn eine reduzierte Kapitalisierung nur sehr bedingt heißt, dass Leute aggregiert diesen Betrag verloren (und zuvor gewonnen) haben, so gibt es jenseits des „big pictures“ eine Vielzahl von bedauerlichen Einzelschicksalen. Und in der Tat war es wohl auch bei diesem Hype so, dass erst am Ende der grotesk anmutenden Hausse viele Privatanleger erstmals aufgesprungen sind und nun mitunter arg in der Bredouille sind. Auch ein weiteres klassisches Warnsignal, eine hohe Anzahl von Wertpapierkrediten, war hier auffällig und wirkte auch im Abschwung als Verstärker. Die erste Lehre, die Anleger aus dem China-Crash mitnehmen können, ist also auch bei uns, dass aufmerksame Anleger auf diese typischen Späthausse-Phänomene schauen sollten, welche hier allerdings zum Glück in der Breite noch nicht aufgetreten sind.

Eine weiterer Rückschluss, den man mitnehmen kann ist die Verquickung von Finanzmarkt und Realwirtschaft: Wie man etwa 2008/2009 eindrucksvoll ausgehend von den USA aber letztlich global sehen konnte, kann ein Übergreifen einer Finanzkrise auf die Realwirtschaft sehr schnell gehen. Dies war auch hier die Sorge, die nicht nur auf die Kurse von Finanzwerten, sondern auch von vielen Exportstarken Unternehmen aus Deutschland schnell belastet hat. Diese Angst, welche den Markt diese Woche mitunter stark belastet hat, erklärt auch die mitunter drastischen Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung.       

Die Verantwortlichen in China haben im Zuge der starken Abwärtsbewegung eine Vielzahl von drakonischen und mitunter befremdlich anmutenden Maßnahmen ergriffen. Diverse Verkaufsverbote und massive Stützungskäufe durch Staatskonzerne zählten ebenso dazu wie ein breites Aussetzen vom Handel zahlreicher Aktien oder auch großzügigere Rahmen für Versicherungen, am Markt tätig zu werden.

Vor dem Hintergrund der alten Börsenweisheit, dass auf lange Sicht immer Markt recht behält, wird es interessant sein, ob diese massiven Interventionen einen weiteren Rückgang nachhaltig verhindern können oder nicht. Und auch hier, kann man vom extremen Fall in China auf den nicht ganz so evidenten Einfluss von intervenierenden Kräften wie etwa den Notenbanken auch in unseren Sphären ableiten. Es bleibt spannend.

von Roger Peeters, Close Brothers Seydler Research AG
© 10. Juli 2015

Roger Peeters ist Head of Research bei der Oddo Seydler Bank AG, einer 100-prozentige Tochter der unabhängigen Finanzdienstleistungsgruppe Oddo & Cie, Paris. Oddo Seydler und Oddo & Cie beobachten gemeinsam mehr als 400 Aktien, Schwerpunkte sind deutsche und französische Werte. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)