Rohstoffe: Angelockt von niedrigen Preisen

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5. November 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Führende Rohstoffindizes haben in den vergangenen Wochen ihren Abwärtstrend fortgesetzt. Industriemetalle sind besonders unter Druck, wobei Benzin, Rohöl und Nickel überdurchschnittlich hohe Preisabschläge hinnehmen mussten. 

Heinrich Peters geht davon aus, dass mit der jüngsten Abwärtsbewegung die geringe Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft mittlerweile eingepreist ist. Für den Helaba-Analysten ist nun die Angebotsseite für die weitere Entwicklung der Rohstoffe von größerer Bedeutung. Zumindest bei Mineralöl und verschiedenen Metallen beobachtet Peters allerdings nach wie vor steigende Kapazitäten. „Wichtige Anbieter verfolgen offenbar eine Strategie der Marktanteilmaximierung über niedrige Preise mit dem langfristigen Ziel einer Marktkonsolidierung.“ Dabei würden Preisregionen unterhalb der Kosten bestimmter Wettbewerber angestrebt, um Investitionen in neue Projekte einzudämmen. „Somit ist das Potenzial mancher Schlüsselrohstoffe erst einmal begrenzt.“

Fass ohne Boden?

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Peters

Etwa sei ein Ende der Abwärtsspirale des Ölpreises noch nicht in Sicht. Bei rund 78 US-Dollar markiert die US-amerikanische Sorte WTI mittlerweile ein Mehrjahrestief und auch das Nordsee-Öl Brent hält sich gerade noch knapp oberhalb der Marke von 80 US-Dollar. „Auslöser für den jüngsten Preisrutsch war die Senkung der offiziellen Verkaufspreise durch Saudi-Arabien für die USA“, beschreibt Eugen Weinberg von der Commerzbank. Damit konzentriere sich die OPEC inzwischen stärker auf die Verteidigung von Marktanteilen auf dem US-Markt. Dieser Schritt knapp vier Wochen vor der nächsten OPEC-Sitzung mache eine Einigung auf eine Produktionskürzung am 27. November eher unwahrscheinlich.

Zum Überangebot trage die hohe Ölproduktion Russlands bei. Das Land hat laut Weinberg im Oktober mit 10,6 Millionen Barrel nur etwas weniger als im September und nur knapp unter dem Rekord in Nach-Sowjetzeiten produziert. „Die Sanktionen des Westens und der Preisverfall der vergangenen Monate hatten somit keinerlei Auswirkungen auf die russische Ölproduktion.“ Diese würden wohl erst langfristig spürbar werden.

Öl-ETCs gefragt

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Weinberg

Anleger scheinen die Aussichten für Öl optimistischer zu beurteilen. „Die Mehrheit der Investoren glaubt offensichtlich an eine baldige Trendwende“, beobachtet Bernhard Wenger von ETF Securities. Per Saldo hätten Ölprodukte (WKNs A0V9YX, A1N49P, A0KRJX) in der vergangenen Woche ein Plus von rund sechs Millionen US-Dollar verzeichnet. Einen leichten Kaufüberhang macht Jörg Sengfelder von Flow Traders bei Erdgas-ETCs (WKN A0KRJ3) aus.

Gemischtes Bild bei Goldprodukten

Ebenso ziehe der niedrige Goldpreis Investoren an. „Während der Kurs des Edelmetalls in der vergangenen Woche noch einmal nachgab und zwischenzeitlich den tiefsten Stand seit vier Jahren erreichte, haben Investoren ihre Positionen in Gold-ETCs (WKNs A0N62G, A0LP78) um gut 30 Millionen US-Dollar ausgebaut“, berichtet Wenger. Dies entspreche den höchsten Zuflüssen seit sechs Wochen.

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Sengfelder

Überwiegende Verkäufe von Gold-ETCs verschiedener Anbieter auf insgesamt überschaubarem Niveau verbucht Sengfelder. In Summe kämen beispielsweise Xetra-Gold (WKN A0S9GB), ETFS Physical Gold (WKN A0N62G) und db Physical Gold (WKN A1E0HRaus den Depots raus. Auf den Abgabelisten befänden sich zudem Silber-ETCs (WKN A1EK0J). Gekauft würden Platin- (WKN A0N62D) und Palladium-Produkte (WKN A0N62E).

Referendum könnte Gold stützen

Auftrieb könnte das gelbe Metall nach Auffassung von Ole Hansen durch einen Schweizer Urnengang erhalten. Zur Wahl stehe am 30. November eine Verpflichtung der Notenbank, künftig mindestens 20 Prozent ihrer Währungsreserven in Gold zu halten. „Sollte das Referendum positiv ausfallen, müsste die Schweizerische Nationalbank in den nächsten fünf Jahren 1.500 Tonnen Gold zukaufen“, bemerkt der Rohstoffanalyst der Saxo Bank.

Technisch angeschlagen

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Geyer

Kurzfristig sieht Weinberg Gold allerdings weiterhin unter Druck. „Die physische Nachfrage in Asien ist auch nach dem Preisrutsch verhalten.“ Somit fehle dem Edelmetall derzeit eine dringend benötigte Unterstützung. Zudem lägen in China die Preise gar unter den Weltmarktnotierungen. Aufgrund der perspektivisch niedrigen Inflation verliere das gelbe Metall gegenüber dem US-Dollar auch mittelfristig die Rolle als sicheren Hafen. Damit fehle die Fantasie für Edelmetalle insgesamt, selbst wenn Investoren bislang noch nicht kapituliert hätten.

Die technische Brille trübt zusätzlich den Ausblick. Mit Unterschreiten der Unterstützung um 1.180 US-Dollar pro Feinunze haben sich die längerfristigen Aussichten für Gold deutlich verschlechtert, wie Christoph Geyer bemerkt. Sollte diese Unterstützung nicht kurzfristig zurückerobert werden, müssten Anleger nach Meinung des technischen Analysten der Commerzbank mit Notierungen um 1.000 US-Dollar rechnen.

Konjunkturelle Flaute hinterlässt Spuren

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Wenger

Schwache Daten des verarbeitenden Gewerbes in Europa und China haben Peters zufolge eine dämpfende Wirkung auf die Investitions- und Gebrauchsgüternachfrage. „Deutlich kommt dies im jüngsten Preisrutsch von Nickel zum Ausdruck.“ Die allgemeine Erwartung, dass Nickel-Erze von den Exportbeschränkungen seitens des weltgrößten Anbieters Indonesien nachhaltig profitieren wird, habe sich bislang als Fehleinschätzung erwiesen.

Die Verhältnisse auf der Angebotsseite für Industriemetalle beschreibt Peters insgesamt als kaum noch nachvollziehbar. Mangel würde beschworen, wo schließlich Überschüsse auftauchten. „Das Lagergeschäft scheint manipuliert zu sein.“ Anlegern rät er zur Vorsicht, solange das makroökonomische Umfeld kein grünes Licht gibt.

Hoffnung auf Erholung bei Nickel

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Hansen

„Anleger bewerten den Kursverlust von Nickel offenbar als übertrieben“, urteilt Wenger und spricht von Nettozuflüssen in Höhe von über 8 Millionen US-Dollar beim ETFS Nickel (WKN A0KRJ4). Zum einen würde das Industriemetall aktuell rund 15 Prozent unterhalb seiner Grenzkosten bei der Herstellung gehandelt. Zum anderen sollte die wachsende Nachfrage nach Edelstahl seit Jahresbeginn die Lagerbestände in den kommenden Monaten voraussichtlich sinken lassen. „Das müsste den Preis unterstützen.“

von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 5. November 2014