Rohstoffe: Finger weg von Risiken

16. März 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Das Erdbeben in Japan und die drohende Nuklearkatastrophe lasten auch auf den Rohstoffmärkten. Anleger befürchten eine sinkende Nachfrage nach Öl und Metallen. Fast alle Produkte werden abgegeben, selbst der „sichere Hafen“ Gold überzeugt nicht mehr unbedingt. Die tragischen Ereignisse in Japan waren laut Ole Hansen von der Saxo Bank aber nicht der einzige Dämpfer für die Rohstoffnotierungen. „Enttäuschende Wirtschaftsdaten aus den USA und China. aber auch die anhaltende Schuldenkrise in Europa haben die Rohstoffmärkte nach unten gezogen“, kommentiert Hansen.

Mit Prognosen tun sich Analysten derzeit verständlicherweise schwer. Der ganz große Schreck sei zwar erst einmal überwunden, meint Jochen Stanzl vom Finanzportal BörseGo. „Alles hängt aber davon ab, was in Japan passiert.“ Nach dramatischen Kurseinbußen am Dienstag konnte der japanische Aktienmarkt – trotz weiter angespannter Lage im Atomkraftwerk Fukushima – heute einen Teil seiner Verluste ausgleichen, die europäischen Märkte drehten nach einem positiven Handelsstart aber zwischenzeitlich wieder ins Minus.

Keine Flucht in Gold

Roelofs
Roelofs

Von einem Ausverkauf wollen die Händler an den ETC-Märkten zwar nicht sprechen. „Anleger konzentrieren sich eher auf den Aktienmarkt. Die Reaktion am ETC-Markt ist zurückhaltend“, erklärt etwa Bernardus Roelofs von Flow Traders. Fast überall dominierten aber zuletzt die Abflüsse. In diesen von Panik geprägtenTagen kann sich selbst die Krisenwährung Gold dem Abwärtssog nicht ganz entziehen. „Gold als sicherer Hafen wird nicht unbedingt gesucht, es gibt auch Verkäufer“, meint Roelofs. Bis zur vergangenen Woche hatten allerdings die Zuflüsse überwogen, wie ETF Securities bemerkt: Die Abflüsse aus physischem Gold (WKN A0N62G), die die ersten sechs Wochen dieses Jahres bestimmt hatten, seien sogar schon fast zur Hälfte wieder wett gemacht worden.

Abflüsse bei Palladium und Platin

Die kalte Schulter zeigen Anleger im Moment auch Platin und Palladium, wie Roelofs weiter erläutert. Das sah in der vergangenen Woche ebenfalls noch ganz anders aus, als die Zuflüsse in physisches Platin (WKN A0N62D) mit 80 Millionen US-Dollar den höchsten Stand seit zwölf Monaten erreichten, wie ETF Securities registriert hat. Bei den Zuflüssen in diesem Jahr lag der ETFS Physical Platinum per Ende der vergangenen Woche damit auf dem zweiten Platz hinter dem an Rohöl der Sorte Brent gekoppelten ETC. Physisches Palladium (WKN A0N62E) stand hingegen schon vor dem Erdbeben in der Gunst der Anleger eher unten, ETF Securities vermutet Umschichtungen dahinter. Palladium hatte im vergangenen Jahr deutlich größere Preiszuwächse verzeichnen können als Platin.

Gewinnmitnahmen bei Silber nach 30-Jahres-Hoch

Hansen
Hansen

Bei Silber, dessen Preis zuletzt ein 30-Jahres-Hoch erklimmt hatte, kam es zu Gewinnmitnahmen. Der ETFS Physical Silber (WKN A0N62F) verzeichnet auf Sicht von drei Monaten ein Plus von 13,3 Prozent, auf Sicht von sechs Monaten sind es sogar knapp 55 Prozent. Nach Ansicht zahlreicher Anleger ist damit das Ende der Fahnenstange sogar noch nicht einmal erreicht: „Viele Investoren glauben, dass die Nachfrage nach Silber auch in Zukunft bestehen wird“, berichtet Ole Hansen. „Seit August 2010 hat sich Silber über 40 Prozent besser entwickelt als Gold.“

Selbst Anleger-Favorit Brent Oil betroffen

Der Ölpreis gab durch die Geschehnisse in Japan ebenfalls deutlich nach. Hier gibt es aber auch gegenläufige Einflussfaktoren: Die anhaltenden Unruhen in Libyen und dem Mittleren Osten. Diese hatten den Markt bis zur vergangenen Woche noch bestimmt und den Preis für Öl der Sorte Brent auf 119 US-Dollar je Barrel klettern lassen. Auch ETC-Anleger griffen beherzt zu: Laut ETF Securities verzeichnet der ETFS Brent Oil (WKN A0KRKM) in diesem Jahr die meisten Zuflüsse und gehört zudem mit einem Renditeplus von 21 Prozent zu den Top-Performern. Auch jetzt gibt es Roelofs zufolge Anleger, die sich kauffreudig zeigen.

Stanzl
Stanzl

Der ETFS WTI Oil (WKN A0KRKN) wurde hingegen bereits vergangene Woche abgestoßen. „Hohe Vorratslager lasten weiter auf den WTI-Preisen, die Lagerbestände am wichtigen Lieferstandpunkt Cushing in Oklahoma erreichten Ende 2010 den höchsten Stand seit über fünf Jahren“, erklärt ETF Securities. Jochen Stanzl sieht den aktuellen WTI-Preisübrigens als gute Einstiegschance. Er geht nämlich davon aus, dass Öl insgesamt wieder teurer werden wird, und das der Sorte WTI besonders. „Der Preisunterschied zwischen WTI und Brent wird sich verringern“, prognostiziert Stanzl. Seine Begründung: „Die Nachfrage nach WTI ist aufgrund außerplanmäßiger Wartungen von Raffinerien in den USA niedrig und wird bald wieder steigen.“

Breite Rohstoffkörbe überzeugen nicht

Auch von breiten Rohstoff-ETCs verabschiedeten sich die Anleger zuletzt: Laut Flow Traders wurde etwa der ETFS All Commodities DJ-UBSCI (WKN A0KRKC) abgestoßen. Die Agrarrohstoff-Produkte stießen ebenfalls auf keine Gegenliebe: Der ETFS Agriculture DJ-UBSCI (WKN A0KRKB) sei ebenfalls verkauft worden.

Die beste Rendite in diesem Jahr erzielt bislang im Übrigen ein Soft Commodity-Produkt: Der ETFS Cotton (WKN A0KRJW) trumpft mit einem Plus von 41 Prozent auf, seit vergangener Woche musste aber auch er Federn lassen.

© 16. März 2011/Anna-Maria Borse