Roth: Lagebesprechung

Die Lage

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Die Märkte haben sich in den vergangenen sieben Jahren daran gewöhnt, vor allem die Zins- und Geldpolitik der Notenbanken als  Kompass für Trends zu nutzen. Das hat zum Teil zu völlig paradoxen Reaktionen geführt, wenn nämlich aufgrund schwacher volkswirtschaftlicher Daten, wie steigender Arbeitslosigkeit oder schrumpfender Wirtschaft, die Aktienkurse anstiegen. In der Dauerkrise wird es schon die Notenbank richten. Doch dieser Effekt darf und wird nicht von Dauer sein. In den USA wird bereits öffentlich über Zinserhöhungen diskutiert, und auch wenn die EZB noch weit entfernt davon zu sein scheint, steht auch in Europa ein Ende der Nullzinspolitik mittelfristig bevor. Kurzfristig führt das zu steigenden Kursen, aber mittel- und langfristig werden Umschichtungen innerhalb der Anlageklassen unumgänglich sein.

Deflationsrisiken bzw. unerwünscht niedrige Inflationsraten bleiben der Eurozone noch erhalten. Die EZB hat die Leitzinsen wie erwartet unverändert gelassen und sich auf verbale Interventionen beschränkt. Dabei entstand an den Märkten der Eindruck, dass sie die Tür für unkonventionelle Maßnahmen und/oder den Ankauf von Staatsanleihen (QE-Programm) geöffnet habe. EZB-Präsident Draghi verdeutlichte eindrucksvoll, dass die Notenbank bereit sei zu handeln und die Hürde dafür setzte er sogar runter: Es reiche bereits aus, wenn die Inflation zu lange zu niedrig bleibe, eine Deflation (rückläufige Preise) sei dafür nicht notwendig.

In einer ersten Reaktion hielt an den Märkten eine QE-Prämie Einzug: Die Aktienmärkte – insbesondere in der Peripherie – verbuchten Kursgewinne und der Euro wertete ab. Die Kurse an den Rentenmärkten gerieten zwar unter Druck, allerdings ist das mehr den negativen US-Vorgaben zuzuschreiben. Damit ist die „Forward Guidance“ der EZB weitgehend aufgegangen, was wohl auch die Stoßrichtung der verschärften Rhetorik war. Sie hat es verbal geschafft, den Euro in ihre Richtung zu lenken und die Zinsen für Staatsanleihen auf niedrigem Niveau zu verankern. Nichts für die Ewigkeit, aber dieser Effekt muss auch nur vorrübergehend wirken. Die Inflation wird im Frühjahrsaufschwung vermutlich wieder zulegen. In diesem Jahr mit einer Preissteigerungsrate von 1,1 Prozent , die sich 2015 vor dem Hintergrund der Konjunkturerholung im Euroraum auf 1,6 Prozent beschleunigen dürfte, so Schätzungen. Dies entspricht in etwa dem Szenario der EZB, so dass es für ein Ankaufprogramm von Staatsanleihen trotz der niedrigeren Hürden eigentlich keinen Grund mehr geben dürfte. Ein starker Euro ist ein Deflationsrisiko. Nun hängt viel von der Fed ab, inwieweit diese nicht doch zum Handeln gezwungen wird.

Ausblick: Frisches Futter für die Bullen

Trübe Gewinnperspektiven drückten die Stimmung an der Wall Street zuletzt. Nachdem die Gewinnerwartungen für US Werte, kurz vor der anstehenden Berichtssaison, von durchschnittlich 6,5 Prozent auf 1,2 Prozent gesenkt wurden, herrscht Unsicherheit an den Finanzmärkten. Doch der US-Index S&P strebte zuletzt unaufhaltsam nach oben. The trend is your friend. Doch die wahren Belastungstests stehen jetzt erst an. Die Quartalberichtssaison könnte dabei zum Zünglein an der Waage werden, denn mit einem hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis sind US-Aktien derzeit teuer wie seit zehn Jahren nicht mehr. Aber in der niedrigen Erwartungshaltung liegt auch die Chance auf positive Überraschungen.

Neue Rekordmarken könnten in den nächsten Wochen dennoch erreicht werden, sofern Russland die Lage in der Ukraine nicht weiter eskaliert. Doch da das nicht auszuschließen ist, steht die Ampel für diese Woche auf gelb. Die Märkte werden einiges an schlechten Daten zu verarbeiten haben und nur wenn diese Tiefschläge gut verdaut werden, kann wieder Optimismus an die Börsen zurückkehren. Eine stabile Aufwärtsbewegung sieht anders aus, denn dazu sind die politischen und ökonomischen Fragezeichen zu groß. Der DAX wird sich zwischen 9.325 und 9.650 Punkten bewegen. Es wird weiterhin neues Futter für die Bullen gesucht.

  • Unterstützung: 9.325, 9.170, 8.940, 8.490
  • Widerstand: 9.570, 9.650, 9.790

von Oliver Roth, Close Brothers Seydler Bank AG.

© 11. April 2014

 

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de

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