Wochenausblick: "Abwarten und Teetrinken"

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17. November 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Konjunktursorgen wollen nicht abreißen. Im Sog durchwachsener Unternehmensnachrichten gab der deutsche Leitindex in der vergangenen Woche um 1,4 Prozent nach und schloss mit 9.252 Punkten. Dabei gab es aus fundamentaler Sicht nach Auffassung von Claudia Windt von der Helaba durchaus auch Lichtblicke. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum habe sich im dritten Quartal gefangen. Mit einem Plus von 0,1 Prozent sei Deutschland knapp der technischen Rezession entgangen und Frankreich überzeuge mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent. Alles in allem bleibe die Wirtschaft in der Währungsgemeinschaft dennoch fragil.

Gemischtes Fazit für Berichtssaison

Anders sieht es an der Wall Street aus. Größtenteils erfreuliche Zahlen aus den Konzernzentralen für das dritte Quartal haben die US-Märkte in der vergangenen Woche beflügelt. Nach neuen Höchstständen ging der Dow Jones Industrial mit einem Plus von 0,4 Prozent aus dem Markt. Auch in Europa kann – relativ zur bescheidenen Erwartungshaltung – ein leicht positives Fazit aus der Berichtssaison gezogen werden, wie Bernd Fernow von der LBBW bemerkt. Mit ihren Ausblicken hätten sich viele Konzerne zwar noch bedeckt gehalten. Die Abwertung des Euro und gesunkene Rohstoffpreise verbesserten aber die Ertragsaussichten.

Ob dieser Schwung in die neue Woche getragen werden kann, halten viele Analysten angesichts der frostigen Stimmung zwischen Russland und den Industrienationen für wenig wahrscheinlich. Mit Putins vorzeitiger Abreise aus Brisbane sei der G-20-Gipfel quasi als G-19-Gipfel ausgeklungen und hätte die Ukraine-Krise wieder stärker in den Vordergrund gerückt.

Die Schere schließt sich wieder

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Reinwand

Seit Jahresmitte haben sich die europäischen Börsenbarometer zunehmend von den US-Leitindizes abgekoppelt, wie Markus Reinwand analysiert. Während DAX und Euro Stoxx 50 den Rückwärtsgang einlegten, setzte der S&P 500 seinen Aufwärtstrend fort. Für den Helaba-Analysten ist die Outperformance des S&P 500 überwiegend auf eine Bewertungsexpansion des US-Börsenbarometers zurückzuführen. Denn die Unternehmensgewinne dies- und jenseits des Atlantiks hätten annähernd in gleichem Ausmaß zugelegt. Auf Basis der Schätzungen für die kommenden 12 Monate liege das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 mit derzeit 16 klar oberhalb des Bandes der vergangenen zehn Jahre. „Dies wäre aber nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Gewinnperspektiven besser entwickeln würden als ohnehin unterstellt.“ Das Übergewicht an negativen Gewinnrevisionen auch für die S&P 500-Unternehmen spreche eine andere Sprache. Für die US-Indizes erkennt Reinwand deshalb inzwischen Korrekturbedarf.

Auch marktpsychologische Faktoren sprächen gegen eine Fortschreibung des gegenwärtigen Trends. Nehme man die implizite Aktienvolatilität als Gradmesser, erkenne man inzwischen extrem ausgeprägte Stimmungsunterschiede.

Flagge oder obere Umkehr

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Bauer

Technisch befindet sich der DAX für Gregor Bauer zurzeit in einer entscheidenden Phase. Nach der steilen Hausse seit Mitte Oktober, die bis 6. November im Tageshoch auf 9.467 Punkte stieg, sei das deutsche Aktienbarometer wieder zurückgefallen. Als charttechnisch wichtig beschreibt der unabhängige technische Analyst den Verlauf der Korrektur in Form einer Flagge. Dies sei ein nach Süden geneigtes, kurzes Rechteck, das bisher etwa 25 Prozent der Hausse einkassiert habe.

„Entscheidend wird jetzt sein, ob die Korrektur in Kürze abgeschlossen werden kann, und neuer Kaufdruck in den Markt kommt.“ Dieser Ausbruch aus der Flagge wäre zunächst bei etwa 9.300 Punkten abgeschlossen. Bauer rät aber zur Vorsicht. „Das Hoch der Hausse-Bewegung bei 9.467 Punkten fungiert als starker Widerstand.“ Viele mittelfristig orientierten Investoren würden abwarten, ob auf diesem Niveau noch Kaufbereitschaft bestehe.

„Die Gefahr eines Doppeltops, also einer oberen Umkehr, ist sehr hoch.“ Schub nach oben könne zwar nach wie vor von den US-Börsen kommen, die dem DAX vorausgelaufen seien. Allerdings stünden in dieser Woche mit den ZEW-Konjunkturdaten in Deutschland und dem Einkaufsmanagerindex für die Währungsunion wichtige Konjunkturdaten an.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

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Wenner

Franz-Georg Wenner von chartanalysen.de rät Anlegern derzeit zu „Abwarten und Teetrinken.“ Die Lage beim DAX sei gegenwärtig eher langweilig. „Auf der Unterseite wird ab Kursen von 9.150 Punkten gekauft, spätestens im Bereich um 9.400 Zähler verlässt die Anleger wieder schnell der Mut.“ Ernsthafte Angriffe auf die ebenfalls wichtige 200-Tage-Linie bei 9.500 Punkten habe es bisher noch nicht gegeben. „Erst wenn der DAX den Durchschnittskurs erreicht, wird sich zeigen, wie nachhaltig der seit Mitte Oktober laufende Erholungsimpuls wirklich ist.“ In einer Konsolidierungsphase realisierten Investoren vielfach im Bereich der Signallinie ihre Buchgewinne und bremsten so den Markt aus.

Allerdings sollten Anleger die DAX-Grenzen im Blick behalten und die Bewegungen engmaschig verfolgen. „Je länger die laufende Seitwärtsphase andauert, desto dynamischer dürfte der anschließende Impuls ausfallen.“

Komme es zum Durchbruch auf der Unterseite und falle der DAX unter die 21-Tage-Linie, liege die nächste bestätigte Unterstützung bei 8.850 Punkten. Rund 50 Zähler darüber hätte der Index die Hälfte der Aufwärtsbewegung wieder korrigiert. „Nach oben ist Luft bis 9.700 Punkte und anschließend bis zum September-Hoch bei 9.891 Punkten.

Dienstag, 18. November

  • 11.00 Uhr. Deutschland: ZEW Lagebeurteilung und Erwartungen November. Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung befragten Finanzanalysten sollten nach Auffassung der HSBC ihre Erwartungen bezüglich der deutschen Konjunktur wieder etwas nach oben geschraubt und den Umfragewert per Saldo wieder leicht in den positiven Bereich gehievt haben. Der Umschwung an den Aktienmärkten in den vergangenen Wochen habe dabei geholfen.

Mittwoch, 19. November

  • 20.00 Uhr. USA: Veröffentlichung der Sitzungsprotolle vom Offenmarktausschuss der Federal Reserve. Marktteilnehmer erhoffen sich laut HSBC Aufschluss über die Ausprägung Richtung Verschärfung der Geldpolitik. Die Formulierung „considerable time“ bleibe zwar verankert, allerdings werde ein entsprechender Beschluss nun noch stärker von der Entwicklung der realwirtschaftlichen Daten abhängig gemacht. Somit könne eine Zinserhöhung auch früher oder später erfolgen. Bislang stünde Mitte 2015 im Raum.

Donnerstag, 20. November

  • 10.00 Uhr. Euroraum: Einkaufsmanagerindizes November. Die DekaBank erwartet sowohl für den Bereich des Verarbeitenden Gewerbes als auch für die Dienstleistungen ein leichtes Plus. Die Gründe lägen in der weniger drastischen Auswirkungen der geopolitischen Krisen auf die Wirtschaft. Daneben habe die Europäische Zentralbank ihre nachhaltige Unterstützung für eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen am Markt untermauert.

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von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 17. November 2014