Wochenausblick: Voran mit Unterbrechungen

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19. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Trotz zum Teil enttäuschender Quartalszahlen zum dritten Quartal hat sich der deutsche Aktienindex in der vergangenen Woche wacker geschlagen. Der DAX verabschiedete sich mit 10.104 Zählern am Freitag aus dem Handel und hielt sich damit auf Wochensicht stabil oberhalb von 10.000 Punkten.

Viele Analysten sehen den Grund dafür in den jüngsten Erwartungen hinsichtlich der Politik der Zentralbanken. „An den Kapitalmärkten rechnet eine große Mehrheit nicht mehr mit der Leitzinswende 2015“, beschreibt Claudia Windt die Anlegerstimmung. Allerdings sieht die Helaba-Analystin darin lediglich eine Momentaufnahme. Mit dem möglichen Willen von Notenbankchefin Yellen sich durchzusetzen, enthalte das Thema US-Zinserhöhung auch eine machtstrategische Komponente.

„Frau Yellen soll bloß die Finger von Zinserhöhungen lassen und auch zukünftig rhetorisch nicht weiter zinspolitisch zündeln“, rät Robert Halver von der Baader Bank, der darin die Gefahr einer fluchtartigen Abkehr vom Aktienmarkt sieht. Zögen sich Großanleger erst einmal zurück, breite sich die Risikoaversion in Windeseile aus.

Keine schlechte Ausgangsposition für Europäische Aktien

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Halver

Halver glaubt an einen – wenn auch schwankungsanfälligen – guten deutschen Aktienherbst und prognostiziert einen Jahresendstand beim DAX von etwa 10.800 Punkten. Zwar hätten wir es auf den ersten Blick nicht mit einem Idealszenario für steigende Kurse zu tun. „Daher haben auch die großen Vermögensanleger im Spätsommer Tabula Rasa an den Aktienmärkten betrieben.“

Mittlerweile bewerteten die Profis die Lage aber neu und nähmen zur Kenntnis, dass China über ein großes Feuerwerk an Konjunkturprogrammen zukünftig alles dafür tut, dass der Drache wieder faucht. Gleichzeitig stehe die Europäische Zentralbank wieder Gewehr bei Fuß und werde aller Voraussicht nach das laufende Anleihen-Kaufprogramm erweitern.

Zeit der hohen Zinsen für immer passé?

Halver geht im Übrigen davon aus, dass es keine wirklich hohen Zinsen und Renditen mehr geben kann, solange unsere Finanzwelt existiert. Grundsätzlich begünstige dies die Entwicklung von Aktien. Hinzu komme der konjunkturelle Nachholbedarf in Europa, wobei konjunkturzyklische und exportorientierte Unternehmen von den niedrigen Rohstoffpreisen und einem vergleichsweise schwachen Euro zusätzlich profitierten.

DAX-Bullen formieren sich

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Szola

Auch charttechnisch sieht Karen Szola das deutsche Aktienbarometer auf einem guten Weg. „Der Spurt zurück über die Marke von 10.000 Punkten belebt die Chance auf eine Bodenbildung“, meint die technische Analystin von Euro am Sonntag und Börse Online, die verschiedene mögliche Szenarien in Aussicht stellt. Der DAX könnte Szola zufolge mit den Tiefs von August und September einen nicht ganz idealtypischen Doppelboden gebildet haben. Bei einem neuerlichen leichten Rückgang käme auch eine inverse Kopf-Schulter-Formation in Betracht. Nicht ganz vom Tisch sei zudem ein möglicher Dreifachboden. Das würde einen nochmaligen Test der Jahrestiefs bedeuten. „Für welche Variante sich der DAX auch entscheidet, der Weg sollte perspektivisch wieder aufwärts führen.“ Als Initialzündung wirke dabei der Ausbruch über die Barriere um 10.400 Zähler.

Aus den genannten Formationen leitet die Analystin ein Kursziel von etwa 11.500 Punkten ab. „Damit wäre nicht nur die 200-Tage-Linie, aktuell bei 11.020 Punkten, signifikant zurückerobert.“ Auch der kurzfristige Abwärtstrendkanal, der sich nach dem im April markierten Allzeithoch bei 12.390 Zählern etabliert habe, wäre längst nach oben überwunden. Gleichzeitig erhalte das Chartbild mit der Rückeroberung des momentan gebrochenen langfristigen Aufwärtstrend aus 2012 eine Aufhellung. „Von diesem Niveau ausgehend könne der DAX dann endlich die Jahresend-Rally starten und seine bisherige Rekordmarke nochmals anlaufen.“

Szola bezeichnet die zuletzt besuchte Unterstützungszone zwischen etwa 9.800 und 9.000 Punkten als „alte Bekannte“. Dieser Bereich spiele seit Anfang 2014 immer wieder eine charttechnische Rolle – mal als Widerstand, mal als Unterstützung. In Summe sei die Unterstützung sehr ausgeprägt und bestätigt. Sie sollte, falls von ihr nochmals Gebrauch gemacht würde, wieder als Haltezone dienen. „Kursverwerfungen deutlich unter 9.000 Zähler sind daher nur schwer vorstellbar.“ Im Worst-Case-Szenario hätte ein Bruch der massiven Unterstützung allerdings weitreichende Folgen. Dann sei ein Abtauchen bis in den Bereich um 8.000 Punkte möglich. „Vorsichtige Anleger warten besser ab, bis der DAX seine 200-Tage-Linie zurückerobert.“

In beide Richtungen gut abgesichert

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Bauer

Für Gregor Bauer liegt der kurzfristige, markante DAX-Widerstandsbereich nach wie vor zwischen 10.135 und 10.190, gefolgt von einer massiven Zone zwischen etwa 10.350 und 10.400 Punkten. Gleichzeitig befände sich eine kurzfristige charttechnische Haltelinie um 9.900 DAX-Zähler. „Wird diese nach unten durchbrochen, wird ein kurzfristiges Doppeltopp, also eine obere Umkehrformation, bestätigt“, erklärt der unabhängige technisch orientierte Analyst. Das Kursziel nach unten liege in dem Fall um die massiven Doppel-Tiefs aus Mitte August und Ende September bzw. Anfang Oktober, mit Böden um 9.400 Punkte.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine

Donnerstag, 22. Oktober

13.45 Uhr. Euroraum: EZB-Zinsentscheid. Bei ihrer Ratssitzung im September hat die Europäische Zentralbank zwar ihre makroökonomischen Projektionen gesenkt, sich aber nicht zu einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik durchgerungen. Die Notenbanker hatten nach Meinung der DekaBank noch kein klares Bild darüber, inwieweit die wirtschaftliche Abschwächung in den Emerging Markets auf die Eurozone ausstrahlen wird. Diese Unsicherheit sei bis zuletzt von Präsident Draghi und anderen Ratsmitgliedern betont worden, sodass die Analysten der DekaBank auch bei der jetzt anstehenden Sitzung nicht mit geldpolitischen Schritten rechnen. Auf der Pressekonferenz würde neben weltwirtschaftlichen Risiken vor allem die Art und Weise einer potenziellen weiteren Lockerung diskutiert werden.

Freitag, 23. Oktober

10.00 Uhr. Euroraum: Einkaufsmanagerindex Oktober. Zwar stehe die Konjunktur in Euroland nicht vor einem abrupten Wachstumseinbruch durch die Schwäche in den Schwellenländern. Mit einer Wachstumsverlangsamung im vierten Quartal rechnet die DekaBank dennoch, was auch der Euroland-Einkaufsmanagerindex im Oktober voraussichtlich zeigen werde. Dies gelte für die Teilindizes der Dienstleister und des verarbeitenden Gewerbes. Die Wechselkursschwäche, die niedrigen Energiepreise und die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank seien positive Gegengewichte zu den wirtschaftlichen Problemen in den Emerging Markets.

Alle relevanten Termine sowie die aktuellen Daten kurz nach ihrer Veröffentlichung finden Sie auf boerse-frankfurt.de/termine. 

von Iris Merker, Deutsche Börse AG
© 19. Oktober 2015