Marktstimmung: "DAX scheint alternativlos"

Zusammenfassung

Die Rekordstimmung, vor allem der privaten Anleger, nähert sich wieder einem gemäßigteren Niveau. 12 Prozent der Privatinvestoren haben seit vergangenem Mittwoch DAX-Aktien gekauft und 6 Prozent sind direkt short gegangen. Der überbordende Optimismus dieser Anlegergruppe ist von +54 auf +36 Punkte gefallen, steht jetzt nicht mehr auf Rekordniveau, ist aber weiter deutlich im bullishen Bereich. 

Von den professionellen Anlegern haben sich 2 Prozent von ihren Aktien getrennt und 3 Prozent von den Short-Engagements. Die Marktstimmung entspricht mit +35 Punkten in etwa dem Wert der Vorwoche und den Erwartungen der Privatanleger. Der DAX selbst hat unterm Strich 60 Punkte gewonnen, stand im Wochenverlauf immerhin gut 250 Punkte höher. 

Für Joachim Goldberg ist der Abfall der Privatanleger von ihrem bullishen Pfad preisgetrieben. Das erneute Scheitern des DAX an der 11.100er Marke habe vermutlich einige der Akteure misstrauischer gemacht. Insgesamt sei der Optimismus aber noch ziemlich hoch. „Solange sich die hochgesteckten Erwartungen an mögliche Maßnahmen der EZB nicht deutlich verringern, bleibt die Aktie als Anlageklasse alternativlos.“ Die „Nachfragereserven“ seien jetzt wieder etwas größer. Der verhaltensorientierte Analyst vermutet aber, dass private Anleger erst unter 10.800 Punkte ans Kaufen denken, professionelle Anleger sogar erst ab 10.700 bis 10.600 Punkten.

  • Profis: +35 Punkte (Vorwoche: +34)
  • Private: +36 Punkte (Vorwoche: +54)
  • DAX ggü. Vorwoche: +60 Punkte

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Goldberg

25. November 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Eigentlich hätten die mittelfristig orientierten institutionellen Marktteilnehmer, die wir allwöchentlich nach ihrer Stimmung befragen, gute Gründe gehabt, bullishe Engagements abzubauen. Sei es nur deshalb, weil der DAX während des Berichtszeitraums zwar versucht hat, sich deutlich von der 11.000er Linie nach oben abzusetzen, aber dann doch wieder einen Rückschlag hinnehmen musste und so erneut den Eindruck hinterließ, im entscheidenden Moment keine rechte Dynamik entwickeln zu können.

Aber auch eine leicht veränderte Einschätzung der möglichen geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank am 3. Dezember hätte nicht überraschen dürfen. Denn gerade während der vergangenen Tage hatten sich die Gegner weiterer quantitativer Lockerungen und noch niedrigerer Einlagezinsen vor allem von deutscher Seite – Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger – wieder stärker ins Gespräch gebracht. Zuletzt war es schließlich auch noch Direktoriumsmitglied Yves Mersch, der für die kommende EZB-Sitzung zumindest eine gute Diskussion prognostiziert hat und so die Erwartungen vieler Börsianer auf positive Impulse für die Aktienkurse hätte relativieren können. Aber am Ende ist der Optimismus, gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index, zum dritten Mal hintereinander um einen Punkt auf einen Wert von nunmehr +35 Punkte gestiegen. Dabei haben sich die Gruppierungen von Bullen und Bären leicht reduziert.

Euphorie der Privatanleger auf dem Rückzug

Bei den Privatanlegern ist es dagegen nach dem jüngsten Rekordoptimismus nunmehr zu einem deutlichen Stimmungseinbruch gekommen. Doch bleibt unklar, was den Börse Frankfurt Sentiment Index gleich um 12 Punkte auf einen Stand von nunmehr +36 gedrückt hat. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass ausgerechnet der Abschuss eines russischen Militärflugzeugs durch die Türkei den entscheidenden Impuls für diese Gewinnmitnahmen gegeben hat. Denn die Privatinvestoren hatten sich zuletzt auch nicht durch die Terrorattacken in Paris beeindrucken lassen. Möglicherweise waren es eher preisgetriebene Argumente, die zum bislang niedrigsten Optimismus in diesem Quartal geführt haben. Denn der DAX konnte für viele Akteure im entscheidenden Moment wieder einmal nicht kräftig nach oben durchstarten, sondern sackte nach Überschreiten der vielbeachteten 200-Tage-Linie deutlich unter dieselbe ab. Die Verringerung des Bullenlagers um 12 Prozent aller Befragten verteilt sich recht gleichmäßig auf die neutral und pessimistisch gestimmten Gruppierungen des Panels.

Auch wenn sich bei der jüngsten Stimmungserhebung gezeigt hat, dass die Gruppe der Optimisten unter den institutionellen und privaten Anleger nunmehr fast gleich groß ist, muss man die Stimmung insgesamt immer noch als ziemlich positiv bewerten.

Um jedoch eine kritische Situation beim DAX heraufzubeschwören, bedarf es einer grundlegenden Neueinschätzung der Markt-Situation seitens der Akteure. Denn für die meisten Börsianer würde sich im Falle größerer Gewinnmitnahmen die Frage stellen, wo sie ihre Verkaufserlöse bei ähnlichem Risiko profitabler einsetzen könnten. Mit anderen Worten: Solange sich die hochgesteckten Erwartungen an mögliche Maßnahmen der EZB nicht deutlich verringern, bleibt die Aktie als Anlageklasse alternativlos. Da die von uns befragten Anleger, gemessen an den Höchstständen des Optimismus in diesem Jahr, nun wieder über etwas größere Nachfragereserven verfügen, hat sich die Situation für den DAX per Saldo etwas verbessert. Allerdings dürfte das Kaufinteresse für einen Wiedereinstieg der heute abtrünnig gewordenen Investoren erst auf niedrigerem Niveau, vermutlich nicht vor Unterschreiten von 10.800 Zählern, wieder einsetzen – institutionelle Akteure dürften sogar noch niedrigere Niveaus (ein bis 2 Prozent) für Zukäufe bevorzugen.

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 25. November 2015.

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

Börse Frankfurt Sentiment-Index
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Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Investoren

Institutionelle Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  56%  21%  23%
ggü. letzter Erhebung  -2%  -3%  +5%

 

    • DAX (Veränderung im Vergleich zum 18. November): 10.960 (+60 Punkte ggü. letztem Sentiment)
    • Börse Frankfurt Sentiment-Index institutionelle Anleger: +35 Punkte  (letzte Erhebung: +34 Punkte)
DAX-Entwicklung im betrachteten Zeitraum
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Private Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  57%  21%  22%
ggü. letzter Erhebung  -12%  +6%  +6%

 

  • DAX (Veränderung im Vergleich zum 18. November): 10.960 (+60 Punkte ggü. letztem Sentiment)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index private Anleger: +36 Punkte (letzte Erhebung: +54 Punkte)