Auslandsaktien: Chinesische Glückskekse

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28. Mai 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Trotz heftigen Rücksetzers am heutigen Donnerstag: Der chinesische Aktienmarkt, gemessen am CSI 300 mit den 300 wichtigsten Werten vom chinesischen Festland, kommt seit Jahresanfang immer noch auf ein Plus von fast 37 Prozent. Seit vergangenem Sommer hat sich der Index mehr als verdoppelt. Der Hongkonger Hang Seng verzeichnet in diesem Jahr ein Plus von knapp 20 Prozent. Hier setzen Anleger auf eine weitere Verringerung des Bewertungsabschlags zu Aktien der Festlandsbörsen.

Der Boom fällt in eine Zeit, in der Chinas Wirtschaftsmotor stottert: Die Wirtschaft wächst deutlich langsamer als gewohnt, im ersten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt nur um 7 Prozent zu, 2014 waren es 7,4 Prozent. Dass gerade jetzt auf Aktien gesetzt wird, wird mit dem schwächelnden Immobilienmarkt sowie Hoffnungen auf weitere geldpolitische Eingriffe begründet. China hat bereits Reformen angekündigt, um die Wirtschaft anzukurbeln, zudem wurden die Zinsen und der Mindestreservesatz gesenkt.

Facebook-Konkurrent Tencent trumpft auf

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Vorhauser

Profitiert vom Höhenflug in China haben Anleger zum Beispiel mit Aktien von Tencent (WKN A1138D), dem chinesischen Internet-Riesen, der im Bereich Sofortnachrichtendienste, soziale Netzwerke, Onlinemedien und Onlinewerbung tätig ist. „Vor kurzem ist Tencent mit 14,6 Prozent bei Glu Mobile, Anbieter von Handy-Spielen, eingestiegen“, berichtet Walter Vorhauser von Oddo Seydler. Glu Mobile ist vor allem wegen des Spiels „Kim Kardashian: Hollywood“ bekannt. „Jetzt wird ein Spiel mit Britney Spears entwickelt.“

Im ersten Quartal dieses Jahres kletterte der Umsatz von Tencent um 22 Prozent auf 3,65 Milliarden US-Dollar, der Nettogewinn um 8 Prozent auf 1,1 Milliarden US-Dollar. „Tencent profitiert von der zunehmenden Onlinewerbung und dem Sofortnachrichtendienst, der noch ausbaufähig ist“, erklärt der Händler. „Die Aktie hat weiter Potenzial.“ An der Börse Frankfurt kommt Tencent auf Sicht von sechs Monaten auf ein Plus von 42 Prozent, auf Sicht von einem Jahr sind es sogar 84 Prozent.

Fosun auf dem Vormarsch in Europa

Weniger bekannt hierzulande ist der chinesische Mischkonzern Fosun. Hier lagen Aktionäre zuletzt ebenfalls genau richtig: Der Titel verteuerte sich an der Börse Frankfurt (WKN A0MVLL) in den vergangenen sechs Monaten um 145 Prozent, in den vergangenen zwölf um 163 Prozent. „Fosun hat sich mehr oder weniger unbemerkt in Europa breit gemacht und ein wichtiges Standbein in der Tourismusbranche aufgebaut“, bemerkt Vorhauser.

Anfang des Jahres hat Fosun, eigentlich vor allem in den Bereichen Versicherungen, Finanzen und Immobilien aktiv, den französischen Reiseveranstalter Club Med übernommen, im März folgte der Einstieg bei Thomas Cook mit 5 Prozent, der Anteil soll noch auf 10 Prozent aufgestockt werden. „Das hat für Kursphantasie gesorgt.“

Viele Höhenflieger

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Stadler

Rege gehandelt werden bei der Baader Bank an Hongkonger Aktien zum Beispiel Titel von Sino Technology (WKN A0F7BH), Col Capital (WKN A0RFL7) und Alibaba Health Information (WKN A12EAP), wie Roland Stadler berichtet. Alle drei kommen ebenfalls auf hohe Kursgewinne, Sino Technology gehört auf Jahressicht sogar zu den Top-Performern. Deutlich aufwärts ging es aber auch für Banken wie Bank of China (WKN A0M4WZ), China Construction Bank (WKN A0M4XF), ICBC (WKN A0M4YB) und Agricultural Bank of China (WKN A1C024).

ETFs als Alternative

Anders als bei den in Hongkong gelisteten H-Aktien hatten Anleger bis vor kurzem nur sehr begrenzte Zugangsmöglichkeiten zu in Renminbi notierten Aktien vom chinesischen Festland, den sogenannten A-Aktien. Seit November vergangenen Jahres können Ausländer nun über einen Hongkonger Broker Festlandsaktien kaufen, es gibt aber weiter Beschränkungen.

Wer dennoch lieber auf Werte vom chinesischen Festland setzen will, kann zu ETFs greifen. Der db x-trackers Harvest CSI300 (WKN DBX0NK) hat ebenfalls eine rasanten Höhenflug hinter sich und kann mit einem Plus von 92 Prozent auf Sechs- und 176 Prozent auf Zwölfmonatssicht punkten, der db x-trackers CSI300 (WKN DBX0M2) mit 88 und 171 Prozent.

Noch nicht das Ende?

Vorhauser geht davon aus, dass sich der Aufwärtstrend an der Hongkonger Börse noch fortsetzen wird. „Wir haben die Hochs noch nicht gesehen.“ Für Victoria Mio, Fondsmanagerin des Robeco Chinese Equities-Fonds, markiert der Anstieg chinesischer Aktien nur den Beginn eines mehrjährigen Bullenmarkts. Sie bevorzugt auf kurze Sicht die H-Aktien aus Hongkong – wegen des Abschlags auf ihre Counterparts an den Börsen Shanghai und Shenzen.

Nach Einschätzung von Howie Li von Canvas, einer ETF-Plattform, werden mehrere Entwicklungen chinesische Festlandaktien weiter unterstützen. „Beispielsweise erwägt der Indexanbieter MSCI, chinesische A-Aktien im Juni in den Emerging Markets Index aufzunehmen.“ Dazu komme die geplante Vernetzung der Börsen Shenzhen und Hongkong, die das bereits bestehende Handelsnetzwerk Shanghai-Hong Kong-Stock Connect noch ergänzen soll. „Darüber hinaus überprüft der IWF im kommenden Herbst den Währungskorb für das Sonderziehungsrecht. Die chinesische Währung Renminbi wird dann möglicherweise als Reservewährung aufgenommen.“

Bezüglich des chinesischen Festlandsmarktes warnen andere Analysten allerdings auch vor Übertreibungen und ziehen Parallelen zum Neuen Markt in Deutschland. Ein Grund: Es seien vor allem Privatanleger, die in Shanghai und Shenzhen die Kurse nach oben trieben – und die ignorierten im Gegensatz zu institutionellen Anlegern die wirtschaftlichen Fundamentaldaten.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 28. Mai 2015