Auslandsaktien: Zeit der Übernahmen

7. April 2011. FRANKFURT. Übernahmegelüste und Zinserhöhungen sind die vorherrschenden Themen im Handel mit internationalen Aktien, wie die Skontroführer von Baader und Close Brothers Seydler berichten. Bereits zum vierten Mal in Folge seit 2006 hat die chinesische Zentralbank in Peking den Zinssatz erhöht, wobei der letzte Anstieg noch keine sechs Monate her ist. Der Basiszins für Einlagen und Kredite wurde mit diesem Schritt um je 0,25 Prozent angehoben. Der einjährige Einlagezins kostet nun 3,25 Prozent, während Kreditlinien derselben Laufzeit auf 6,31 Prozent gestiegen seien. „Mit der schrittweisen Straffung der Geldpolitik versucht die Regierung seit geraumer Zeit, einer konjunkturellen Überhitzung entgegen zu wirken“, bemerkt Walter Vorhauser. Die europäische Zentralbank hat es den Chinesen gleichgetan und ebenfalls einen Anstieg von 0,25 auf 1,25 Prozent angekündigt. Für Europa bedeute die Erhöhung allerdings eine Zinswende und ein Einstieg in die schrittweise Verringerung der Liquidität im Markt. „Genau dieser Anstieg um einen viertel Prozent ist in den Aktienmärkten aber bereits mit verarbeitet“, beobachtet Walter Vorhauser von der Close Brothers Seydler Bank. Auch habe der Euro in Vorbereitung auf die Anhebung des Zinssatzes bereits kräftig zugelegt.

Vorhauser
Vorhauser

Übernahmephantasien beleben die Stimmung sowohl in den Halbleiter- als auch in der Chemiebranche. Nachdem der US-Technologiekonzern Texas Instruments am Montag die Kaufabsicht von National Semiconductors angekündigt hatte, seien auch andere Unternehmen aus der Halbleiterindustrie belohnt worden. „Der Aktienkurs von National selbst konnte seitdem rund Zweidrittel zulegen“, registriert Vorhauser. Das entspreche in etwa dem Aufschlag, mit dem sich TI den Kauf sichern möchte.
Ebenfalls mit einem beachtlichen Zuschlag von 50 Prozent auf den Kurs zum Zeitpunkt der Ankündigung schicke Solvay sich an, Rhodia zu schlucken. Auch hier finde diese Idee Anklang im Markt. „Denn das Objekt der Begierde liegt heute etwa um die Hälfte höher als vor Bekanntgabe der Übernahmeabsicht“, weiß Jan Vrbsky von der Baader Bank.

Griff nach Rhodia beflügelt auch Solvay

Rund 3,4 Milliarden Euro, oder aber 50 Prozent mehr als die Aktie bei Ankündigung wert war, will sich Solvay (WKN 856200) die Übernahme von Rhodia (WKN A0MUEC) kosten lassen. Entstehen soll so ein Weltmarktführer im Kunststoffgeschäft mit einem Umsatz von 12 Milliarden Euro. „Der belgische Chemiekonzern will den Zukauf aus eigenen Mitteln finanzieren“, meldet der Händler der Baader Bank. Eingesetzt würden die Erlöse von 4,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf des US-Konzerns Abbott Laboratories. „Bereits damals hatte Solvay verkündet, die Erlöse in das Chemie- und Kunststoffgeschäft zu stecken“, weiß Vrbsky.

Solvay schiele vor allem auf Schwellenländer wie Lateinamerika und Asien, denn dort sei der Franzose Rhodia bereits gut etabliert. Gespart werden soll auch: Innerhalb von drei Jahren plane Solvay die jährlichen Kosten um 250 Millionen Euro zu senken. Die Rhodia-Aktie notiert derzeit rund 50 Prozent höher als vor der Übernahmeankündigung. „Aber auch Solvay wurde mit einem Kurssprung von 5 Prozent auf derzeit rund 88 Euro belohnt“, bemerkt Vrbsky. Der Deal scheine plausibel und ein Gegenangebot eher unwahrscheinlich.

Alte Strukturen in neuem Gewand

Vrbsky
Vrbsky

Pünktlich vor Auslaufen des bestehenden deutschen Staatsvertrags für das Glücksspiel hätten sich die Regierungschefs der Länder geeinigt. „Die Liberalisierung des Glücksspielmarkts soll erst einmal auf Probe und mit einer nur begrenzten Anzahl privater Anbieter stattfinden“, berichtet Jan Vrbsky. Bis zu sieben Lizenzen soll es für nichtstaatliche Sportwetten geben. Fünf Jahre laufe die Probezeit, bevor eine Evaluierung der Maßnahmen anstehe. Zudem werde bei den privaten Marktteilnehmern eine Konzessionsgebühr von 16,66 Prozent der Wetteinsätze fällig. Dieser Anteil entspreche der Lotteriesteuer, die auch das staatliche Oddset zahlen müsse. Eigentlich hätte der Europäische Gerichtshof weitgehende Änderungen im deutschen Glücksspielvertrag angemahnt. „Herausgekommen ist ein Festhalten an alten Strukturen“, beurteilt Vrbsky den neuen Entwurf. Nach Bekanntwerden der Einzelheiten im Vertrag sei die Aktie von Branchenriesen Bwin Party Digital (A0MV75) um fast 30 Prozent abgestürzt. Erst vor einem Monat sei das Unternehmen aus der Fusion der österreichischen Firma Bwin mit dem Rivalen PartyGaming entstanden. „Es sieht so aus, als wird der Europäische Gerichtshof noch einmal eingeschaltet werden“, vermutet Vrbsky.

Rekord für Tesla Roadster

100 Konkurrenten habe der Tesla Roadster bei der vergangenen Monte Carlo Rallye abhängen können. „Bei dem Rennen vergleichen sich Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, und wer am weitesten kommt, hat gewonnen“, berichtet Walter Vorhauser. Für Tesla Motors (A1CX3T) sei klar: Fahrzeuge werden in Zukunft über Elektromotoren angetrieben. Elektroautos des US-amerikanischen Herstellers könnten bereits heute mit einer geladenen Batterie 340 km bewältigen. „Insgesamt legten Tesla-Roadster-Besitzer bereits 16 Millionen Kilometer mit ihren elektrisch angetriebenen Fahrzeugen zurück“, weiß der Händler.
Als nächste Etappe will der viertgrößte Automobilherstellers in den USA den Elektroantrieb für die breitere Masse fit machen. Für Morgan Stanley offensichtlich ein machbares Ziel. Nachdem die Bank das Unternehmen herauf gestuft hatte, notierte die Aktie zwischenzeitlich um mehr als 15 Prozent höher.

Sina entlässt Google

Wenig Freude habe Google derzeit mit Chinas IT- Unternehmen Sina Corporation (WKN 929917). Der Vertrag des Suchmaschinenriesen mit dem Besitzer der drittgrößten chinesischen Webseite nach Besuchern werde laut Nachrichtenagentur Xinhua nicht verlängert. „Die Chinesen planen stattdessen den Einsatz einer eigenen Suchmaschine“, berichtet Vorhauser. Für Google (WKN A0B7FY) sei dies ein Rückschlag. Um den strengen Augen der chinesischen Netzhüter zu entgehen, sei das Unternehmen erst im vergangenen Jahr nach Hongkong ausgewichen, um von dort aus das Land zu erobern. Die Märkte hielten den Rausschmiss von Google zunächst für keine gute Idee. Von seinem Allzeithoch habe sich Sina erst einmal verabschieden müssen. Statt für 82,50 Euro sei die Aktie derzeit für rund 77 Euro zu haben.

© 7. April 2011 / Iris Merker

Ausländische Unternehmen im Überblick

Unternehmen Branche Land WKN
Solvay Belgien Chemie 856200
Rhodia Chemie Frankreich A0MUEC
Bwin Party Digital Gibraltar A0MV75
Tesla Motors Inc. Automobile USA A1CX3T
Sina Corp. Internet China 929917
Google Inc. Internet USA A0B7FY