Baader Bond Markets: Athen spielt mit Europa „Katz und Maus"

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Stopp

25. Juni 2015. München (Baader Bank). Egal, wie die Causa Griechenland endet, einen Verlierer haben wir bestimmt zu beklagen, und zwar die Demokratie. Dabei wird es uninteressant sein, ob man sich kurz vor der Deadline noch einigen oder die bereits seit Jahren schmerzlich vermisste und nicht existierende Patientenverfügung ziehen wird, um die lebenserhaltenden Maßnahmen, die Hellas im Euro hält, abzuschalten. Insgesamt lässt sich aber bereits jetzt konstatieren, dass Europa mit jedem weiteren Tag des Gezerres um das griechische Schuldendrama eine schlechtere Figur abgegeben hat. Der größte Teil der europäischen Bevölkerung hat erkennen müssen, dass die politische Führung Europas im Grunde aus zwei unterschiedlichen Gruppen besteht.

Zum einen aus der Riege der zahnlosen Tiger und zum anderen aus immer mehr nationalistisch denkenden Politikern, die das Fernziel eines geeinten Europas ad absurdum führen. Doch wie konnte es soweit kommen? Alle Eltern kennen das Problem. Kinder loten ihre Grenzen aus und zwar entsprechend der „Salamitaktik“. Immer mehr fordern und dabei beobachten, ob die genervten Eltern widersprechen. Europas Politiker scheinen noch nicht erkannt zu haben, dass die griechische Regierung die gleiche Vorgehensweise für sich entdeckt hat und auf diesem Weg mit allen Beteiligten „Katz und Maus“ spielt.

Für Europa geht es inzwischen nicht mehr ausschließlich um Geld, sondern immer mehr um die eigene Glaubwürdigkeit. Diese hat in dem griechischen Drama – unabhängig von ihrem Ausgang – massiv gelitten, und dies wird in den kommenden Jahren zum Grundproblem der Politik werden. Eine Wahlbeteiligung in Europa wie zuletzt in Dänemark von über 85 Prozent ist in anderen Staaten undenkbar. Nicht zuletzt in Deutschland hat die Politikverdrossenheit Einzug gehalten, und das ist zu einem großen Teil auch das Ergebnis der in Griechenland eingesetzten Kriseninterventionsteams. Diese haben der Bevölkerung von Tag zu Tag die Ohnmacht bei der Krisenbewältigung demonstriert. Die Krisenherde in der Welt wie Ukraine, IS-Terror oder Flüchtlingswelle verdeutlichen die Unentschlossenheit und das Fehlen einheitlicher Werte. Politiker, die sich wie im Falle Hellas gegenseitig den „Schwarzen Peter“ zuschieben und somit den in der Bittsteller-Position befindlichen Schuldner sogar indirekt zum Pokern auffordern, sollten sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden, nämlich der Verteidigung unseres höchsten Gutes, der Demokratie. Sollte es nicht gelingen, dem politischen Handeln die Glaubwürdigkeit zurückzugeben, läuft man Gefahr, dass ein Wahlergebnis à la Griechenland spätestens im Herbst nach der Wahl in Spanien die Europäische Union kollabieren lassen könnte.

Eurozone von ihren Geburtsfehlern eingeholt

Natürlich sind die Europolitiker in der Zwickmühle. Sowohl ein Grexit als auch ein zu weites Entgegenkommen gegenüber den Griechen könnte den Nimbus der Endgültigkeit des Euro zerstören. Vor allem zeigt das monatelange Gezerre um die Schuldenkrise Athens aber, dass letztendlich die Geburtsfehler der Währungsunion die Rettung Griechenlands zur Quadratur des Kreises gemacht haben. Denn die schwere Krise der Eurozone hat vor allem eins offenbart: Ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik kann es dauerhaft keine gemeinsame Währung geben. Erinnert sei hier an Helmut Kohl, der einst prophezeit hat, dem Euro werde die politische Union folgen müssen.

Dass man sich ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der die Eurozone tief gespalten ist, trauen würde, die Geburtsfehler zu beheben, ist eher unwahrscheinlich. Aktuell werden in Österreich Unterschriften für ein EU-Austrittsvolksbegehren gesammelt, um 2016 über einen EU-Austritt zu entscheiden. Dennoch ist zu erwarten, dass einschneidende Reformschritte erst nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland sowie nach dem britischen und möglicherweise österreichischen Referendum erfolgen werden. Wie diese aussehen könnten, deutet der gemeinsame Bericht der fünf Präsidenten von EU-Kommission, Europäischem Rat, EZB, Eurogruppe und Europaparlament zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion an. Nach den kurzfristigen Lösungen der vergangenen Jahre sollen diese künftig „auf eine langfristige, faire und demokratisch legitimierte Basis“ gestellt werden. So soll es auf Grundlage des bisherigen EU-Rechts Fortschritte bei der gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik geben, die als Basis für eine langfristig funktionierende Währungsunion dienen sollen. Dafür sollen in allen Eurostaaten unter anderem unabhängige Behörden eingerichtet werden, die bei der Wirtschafts- und Finanzentwicklung eines Landes „ökonomische Abweichungen“ verhindern helfen sollen. Damit deuten die fünf Präsidenten zwar an, wohin die Reise gehen soll, bleiben aber dennoch vage in ihren Aussagen zu dem, was bis 2025 passieren soll. Man kann sich allerdings auch zu Tode bürokratisieren!

Mit diesen vorsichtigen Maßnahmen ließen sich die Ungleichgewichte zwischen den Euroländern nicht beseitigen, sagt dazu der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold. Damit sei vorprogrammiert, dass weiterhin die EZB die Drecksarbeit mit lockerer Geldpolitik übernehmen müsse. So wie das aktuell wieder passiert. Denn inzwischen hat die Europäische Zentralbank (EZB) den finanziellen Spielraum für griechische Banken bereits zum dritten Mal in 3 Tagen erhöht – zuletzt auf fast 90 Millarden Euro. Mit dem Geld sollen die Banken trotz der Milliarden, die die Griechen derzeit von ihren Konten abheben, zahlungsfähig bleiben, denn der Bank Run in Hellas ist in vollem Gang.

Und der Druck im Kessel steigt. Griechenland muss am Dienstag kommender Woche (30.6.) 1,6 Millarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückbezahlen, was viele dem Krisenland nicht mehr zutrauen. So dürften aus Anleihegewinnen der Zentralbank relativ rasch 1,9 Millarden Euro nach Athen überwiesen werden, wie es in Brüssel heißt. Der Betrag stammt aus Gewinnen, welche die EZB mit angekauften griechischen Staatspapieren im Rahmen ihres SMP-Programms gemacht hat und nun an die Staatskasse in Athen zurückgeben wird. Auch hier gilt: Nur mit Hilfe der EZB ist das nächste Loch zu stopfen!

Störfeuer eines Solisten

Was hat den US-Notenbanker Jerome Powell zu dieser Aussage veranlasst? Powell, der Mitglied im Direktorium der Federal Reserve (Fed) und damit stimmberechtigt im geldpolitischen Ausschuss (FOMC) ist, hält gleich zwei Leitzinsanhebungen in diesem Jahr für möglich. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung bereits im September setzt er mit 50 Prozent an. Eine weitere Erhöhung hält er im Dezember für möglich, um eine Bedingung hinterher zu schieben: Voraussetzung sei, dass die US-Wirtschaft ausreichend anziehe. Immerhin erwartet Powell, dass das Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr stärker als im ersten Halbjahr ausfällt.

An den Finanzmärkten nimmt Powells Meinung eher eine Minderheitenposition ein. Natürlich hatte die Fed bei ihren Entscheidungen schon immer vor allem das Wohl der USA im Blick. Aber nachdem sich Fed-Chefin Janet Yellen stets vorsichtig bezüglich einer Zinserhöhung ausdrückt und der IWF gar vor einem zu frühen Schritt gewarnt hat, dürfte vor Dezember keine Leitzinsanhebung zu erwarten sein – zumal das Inflationsziel von 2 Prozent noch längst nicht in Reichweite ist. Daher dürften die Aussagen von Powell als Störfeuer eines Einzelnen abzuhaken sein.

S&P warnt vor „Brexit“

Was Standard & Poor’s (S&P) da sagt, mag in den Ohren der Banker in der Londoner City wie ein Warnschuss klingen. Dasselbe gilt für die Regierung von Premierminister David Cameron. Sollte Großbritannien aus der Europäischen Union austreten, also der Brexit eintreten, dann würde dies aus Sicht der Ratingagentur zu einer Verlagerung des europäischen Bankenzentrums weg von London führen. Profiteure könnten Dublin, Frankfurt, Paris, Madrid oder Mailand sein, schreibt S&P. Derzeit finden demnach fast ein Fünftel der globalen Bankaktivitäten in Großbritannien statt. Bekanntlich will Premierminister David Cameron bis Ende 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU abhalten.

Laut S&P leistet der britische Finanzsektor trotz der Finanzkrise einen wesentlichen Beitrag für die britische Wirtschaft. Rund 1,4 Millionen. Arbeitsplätze stelle der Sektor zur Verfügung. Der Anteil an der Einkommenssteuer und an Versicherungszuweisungen an das britische Schatzamt betrage etwa 12 Prozent. Ein Brexit würde laut S&P sehr wahrscheinlich den Zufluss von Direktinvestitionen in Fremdwährungen nach Großbritannien und insbesondere in den Finanzmarkt verringern. Außerdem würde der Handelsüberschuss von derzeit über 3 Prozent der Wirtschaftsleistung aus Finanzdienstleistungen deutlich sinken. Das Zahlenspiel zeigt, welch riskantes Spiel Cameron mit seinem Ansinnen treibt, in einem Referendum über die Zugehörigkeit zur EU abstimmen zu lassen.

Vor einem Brexit warnte übrigens auch Queen Elisabeth II. bei ihrem Besuch in Deutschland!

Große Herausforderungen für russische Unternehmen

Auf russische Unternehmen kommen große Herausforderungen zu. In den kommenden drei Jahren müssen sie Schulden in Höhe von mehr als 100 Milliarden US-Dollar bedienen. Durch die Sanktionen der EU, die schwache Wirtschaftsleistung und die Rubelschwäche wird die Refinanzierung freilich zu einem Kraftakt werden, der manche der betroffenen Firmen an ihre Grenzen bringen könnte. Insgesamt haben die Sanktionen und der niedrige Ölpreis der russischen Wirtschaft zu Beginn des Jahres einen deutlichen Dämpfer verpasst. So ist das Bruttoinlandsprodukt um 3,2 Prozent zurückgegangen. Mit der Entscheidung der EU, die Sanktionen gegenüber Russland bis mindestens Ende Januar 2016 zu verlängern, wird sich die Situation für die russische Wirtschaft weiter verschärfen.

Nach Angaben der Ratingagentur Moody’s werden allein 2015 für die Unternehmen „mit den größten auslaufenden Schulden“ Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet 40 Mrd. US-Dollar fällig, wovon 30 Milliarden in Fremdwährungen notiert sind. 2016 und 2017 stehen weitere Rückzahlungen über umgerechnet 60 Mrd. US-Dollar an, davon 40 Milliarden in anderen Währungen.

Moody’s geht zwar davon aus, dass die Unternehmen ihre Schulden begleichen können, aber „sie werden sich zu den internationalen Märkten hinwenden müssen“. Vor allem die westlichen Banken sind bisher für die russischen Unternehmen wichtig gewesen, so die Ratingagentur. In welcher Situation sich manche Branchen in Russland befinden, macht ein Blick auf den nationalen Automarkt deutlich, der 2015 mit einem Rückgang von 25 bis 50 Prozent rechnen muss.

Rückkehr zum alten Muster

Seit Monaten wird die Tendenz an den Rentenmärkten von einem Thema beherrscht – Griechenland. Die Frage der Börsianer lautet inzwischen: „Landet der schwarze Schwan nun endlich auf der Akropolis oder nicht?“ Hatte sich in der Vergangenheit der Eindruck manifestiert, dass jede Assetklasse ihr Eigenleben entwickelte, so kann man inzwischen wieder auf die Wechselwirkung zwischen Renten- und Aktienmarkt verweisen, was an das Sägen eines Baumstammes mittels einer Bogensäge erinnert. Will heißen, wenn die Kurse der Aktien unter Druck geraten, dann werden Bonds gesucht und umgekehrt.

Doch der Euro-Bund-Future wird nicht nur als Sorgenbarometer bezeichnet, weil er die Gemütslage der Eurozone und Griechenlands widerspiegelt. Auch die weitere Leitzinsentwicklung und die damit zusammenhängende Entwicklung des Währungspaares Euro und US-Dollar beherrschen die Szenerie.

In solch unsicheren Zeiten ist allerdings oftmals die Charttechnik die einzige Möglichkeit, sich unbeeinflusst Gedanken zur weiteren Marktentwicklung zu machen. Verfechter der Chartanalyse bestehen bekanntlich darauf, dass in der historischen Kursentwicklung bereits alle Fundamentaldaten enthalten sind und es somit keine bessere Analysemöglichkeit gibt. Daraus ergibt sich eine Unterstützungslinie beim September-Kontrakt von aktuell 148,23 Prozent (Tief vom 10.06.). Noch ist der kurzfristige Abwärtstrend intakt, aber mit nachhaltigem Überwinden der Marke bei 151,38 Prozent ist ein Test des Widerstands im Bereich von 152,64 Prozent (Tief vom 21.05. und Hoch vom 3.06.) möglich.

„Tag des Schlafes“ verhindert nicht, dass Devisenhändler hellwach sind

In dieser Handelswoche gedachten viele Menschen dem „Tag des Schlafes“. An diesem Tag soll auf die wichtige Bedeutung des Schlafens aufmerksam gemacht werden. In Deutschland leiden laut einer Studie rund 25 Prozent der Bevölkerung an Schlafstörungen.

Die aktuellen Bewegungen an den Kapitalmärkten tragen bei einer kleineren Gruppe wohl ihren Teil dazu bei. Trotz aller Störfaktoren zeigte sich der Euro jedoch vor dem Wochenende relativ entspannt, als würde er Schäfchen zählen und pendelte zwischen den Marken von 1,13 und 1,14 US-Dollar. Auch zum Wochenstart kam das Gespenst Griechenlandkrise nicht in den Träumen der Marktteilnehmer vor. Sie träumten eher von der künftigen Zinspolitik in den USA, was die Gemeinschaftswährung bis auf 1,1134 US-Dollar zurück fallen ließ.

Am gestrigen Mittwoch konnte sich die Währung der Euroländer jedoch wieder etwas berappeln. Nicht klar ist allerdings, ob es sich hier um eine technische Erholung handelte oder um Vorschusslorbeeren in Bezug auf eine Einigung mit Griechenland. Diese Entscheidung könnte sich aber noch etwas hinziehen. Aktuell pendelt die Gemeinschaftswährung um die Marke von 1,12 US-Dollar.

Im Vergleich gegenüber dem brasilianischen Real musste der Euro zum Ende dieser Handelswoche einen Rückschlag hinnehmen. Schaffte er noch vor dem Wochenende den Sprung bis auf 3,5303 Brasilianische Real, so bröckelte dieses Plus bis zur Wochenmitte nach und nach ab. Zur Stunde pendelt die Gemeinschaftswährung um die Marke von 3,47 Brasilianische Real.

Um ihr Vermögen wohlbehütet in den Schlaf wiegen zu können, fragten Privatanleger in dieser Handelswoche vornehmlich Fremdwährungsanleihen lautend auf türkische Lira, brasilianische Real und südafrikanische Rand nach.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.

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