Baader Bond Markets: "Das Hellas-zentrische Weltbild"

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Stopp

12. Februar 2015. München (Baader Bank). Bisweilen hat man das Gefühl, dass sich die Finanzmärkte nur noch um Griechenland drehen. Die Verstimmungen zwischen dem Westen und Russland bleiben zwar ein wichtiges Thema, aber durch die Gefahr für das Konstrukt Euro, die insbesondere von Griechenland ausgeht, hat sich ein Hellas-zentrisches Weltbild ergeben. Dass die europäische Gemeinschaftswährung bereits 16 Jahre nach der Einführung als Buchgeld ums Überleben kämpft – und das nicht erst seit gestern, sondern eigentlich schon seit 2008 – war so nicht zu erwarten. Doch der Euro wird auch diese Krise überstehen, was aber vom Finanzsystem Griechenlands nicht felsenfest behauptet werden kann.

Bei allem Verständnis für die neue griechische Regierung, die im Wahlkampf Wein predigte und inzwischen vor dem Dilemma steht, um Wasser betteln zu müssen, ist nun die Zeit reif, die Pläne zu konkretisieren. Der Hinweis auf die kurze Zeitspanne, in der geliefert werden muss, kann nur zu einem geringen Teil gelten, denn deutliche Anzeichen für einen Wahlsieg von Syriza hatten sich schon lange vor dem Urnengang gezeigt. Somit hätte man bereits im Vorfeld an konkreten Plänen arbeiten können, um für den Fall der Fälle echte Alternativen aufweisen zu können. Nur der Hinweis, dass alle Maßnahmen der vorherigen Regierung zu korrigieren seien, ist nicht zielführend. Dass hierbei auch den internationalen Geldgebern vorgeworfen wird, mit überzogenen Forderungen und zu viel Geld für den desolaten Zustand Griechenlands verantwortlich zu sein, zeugt von geringem Fingerspitzengefühl der neuen politischen Elite unter der Akropolis. Nun gilt es für den neuen Regierungschef Tsipras zu liefern. Auf dem gestrigen Treffen der EU-Finanzminister und dem heutigen der EU-Staats- und Regierungschefs besteht für die neue griechische Regierung die Möglichkeit, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Denn die Zeit wird knapp und die Suche nach Kompromissen ist sehr zeitintensiv. Somit stehen die Zeichen auf Verhandlungsmarathon mit ungewissem Ausgang, denn zumindest die erste Runde endete mit einem Eklat und ohne gemeinsame Erklärung. Die zweite Runde folgt am Montag.

Die Schwierigkeit hierbei ist allerdings, dass nicht auf Augenhöhe verhandelt werden kann. Sicherlich hat man Verständnis für diverse Unverhältnismäßigkeiten, aber inzwischen haben sich die EU-Staaten die Rettung Athens schon so viel Geld kosten lassen, dass man zu weiteren Zugeständnissen aus Rücksicht auf die eigene Bevölkerung kaum mehr imstande ist. Das Ergebnis dieser Gespräche wird sicherlich auch von den Regierungen der anderen „Problemkinder“ beobachtet werden und daher eine Signalwirkung haben. Man darf gespannt sein, welcher faule Kompromiss uns allen hierbei als Erfolg verkauft wird. Denn auch das mögliche Erkaufen der Nibelungentreue Griechenlands bezüglich der weiteren Vorgehensweise gegenüber Russland könnte ein Grund zur Milde seitens der Eurogruppe werden. Warten wir es ab. Ende Februar werden wir schlauer sein.

Liebesgrüße aus Moskau

Es ist zu hoffen, dass sich Rhetorik und Auftreten der neuen griechischen Regierung von dem unterscheiden, was hinter den Kulissen betrieben wird. Denn wenn es stimmt, was die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat, wird an einem Zehn-Punkte-Plan für Griechenland gearbeitet. Finanzminister Gianis Varoufakis will demnach vorschlagen, fast 70 Prozent der Auflagen des vorherigen Programms zu akzeptieren. Den Rest wolle er durch Maßnahmen ersetzen, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet worden seien.

Drohungen sind indessen von Tsipras Juniorpartner, der rechtsnationalen Partei, den Unabhängigen Griechen, zu hören. Athen könne sich für seine Finanzierung an die USA, Russland oder China wenden, wenn es mit der EU nicht klappe, sagte deren Chef Panos Kammenos, der zugleich Verteidigungsminister ist. Und Moskau reagierte prompt mit Liebesgrüßen, indem der Kreml der neuen griechischen Regierung Unterstützung zusagte. Für den Fall, dass das wirtschaftlich angeschlagene Griechenland in Russland um Finanzhilfe bittet, werde dies geprüft, heißt es aus Moskau, wo sich Außenminister Sergej Lawrow und sein neuer griechischer Kollege Nikos Kotzias getroffen hatten. Dabei ging es auch um eine geplante Gasleitung durch das Schwarze Meer in die Türkei. Von der Pipeline kann laut Lawrow auch Griechenland profitieren. Zudem solle die Kooperation im militärischen Bereich ausgebaut werden – was immer das heißen mag. Wohlgemerkt: Griechenland ist Mitglied der Nato.

Athen leiht sich kurzfristig Geld

Die öffentlichen Verlautbarungen der Regierung in Athen sind eher verwirrend. Da hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wohl Recht – und fordert verbindliche Aussagen von Griechenland zum Euro-Hilfsprogramm. Wenn sich die Euro-Finanzminister vor dem EU-Gipfel treffen, könnte ein erster Schritt für einen möglichen Kompromiss mit Athen gemacht werden, so wurde spekuliert und gehofft, aber das Gegenteil ist eingetreten. Dass dieser in einer sechsmonatigen Schuldenpause für Athen bestehen könnte, wurde von Wolfgang Schäuble bereits vorher ins Reich der Fantasie verwiesen.

So ist das schuldengeplagte Mittelmeerland bereits auf den Geldmarkt ausgewichen, wo es sich kurzfristig Liquidität besorgt hat. Bei der Auktion von Geldmarktpapieren flossen knapp 1,14 Milliarden Euro in die Kasse von Athen. Der Zinssatz für die Dreimonatspapiere lag bei 2,50 Prozent und damit deutlich höher als bei einer ähnlichen Auktion im Vormonat (2,15 Prozent). Dennoch, der Umfang der Auktion ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bank-Run Light in Hellas

Die Unsicherheit über die weitere finanzielle Situation im Land spiegelt sich auch in der Nervosität der Bevölkerung wider. So findet in Griechenland zumindest ein „Bank-Run Light“ statt. Die Geldeinlagen der Griechen sind auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch der schweren Finanzkrise gefallen. Laut Bankenkreisen haben griechische Bankkunden im Dezember und Januar etwa 16 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben. Und wie die Deutsche Presse-Agentur schreibt, dauert dieser Trend im Februar an. Damit sind die Geldeinlagen auf ein Niveau von ca. 147 Milliarden Euro gesunken.

Anleger weichen auf Fremdwährungen aus

Angesichts der niedrigen Zinsen in Euroland suchen viele Anleger ihr Heil in Fremdwährungsanleihen, die eine höhere Rendite als Euro-Bonds versprechen, aber natürlich auch ein Währungsrisiko beinhalten. In der ersten Reihe stehen hier immer noch Bonds, die in der US-amerikanischen Währung emittiert wurden. Nachdem der Euro gegenüber dem US-Dollar wieder etwas an Wert gewonnen hatte, nutzten viele Anleger diese Konstellation zum Einstieg.

Vor diesem Hintergrund war ein Corporate Bonds von Apple (WKN: A1HKKY), der bis 2043 läuft, gefragt. Das Papier war auf einen Kurswert von ca. 100,50 Prozent gefallen, womit der Titel mit rund 3,85 Prozent rentiert. Ende Januar hatte der Bond mit 108,43 Prozent sein Zwölfmonatshoch erreicht. Ähnlich verlief die Entwicklung bei einem Microsoft-Bond A1GL9Y) mit Fälligkeit 2/2021, der von seinem Jahreshoch bei 112,62 Prozent (2.2.) auf 110,70 Prozent zurückgefallen ist. Die Rendite liegt hier bei ca. 2,06 Prozent.

Gesucht war auch eine vierjährige Staatsanleihe von Neuseeland A1G9XT), die in der Heimatwährung emittiert ist. Der Titel kam auf ca. 104,65 Prozent zurück, nachdem er am 3.2. noch bei 105,28 Prozent notierte. Die Rendite beträgt bei diesem Bond derzeit ca. 3,77 Prozent.

Durst hatten die Anleger auch auf einen Coca-Cola-Bond A1HLMF), der auf Australische Dollar lautet und bis 6/2020 läuft. Der Titel notiert derzeit bei rund 104,92 Prozent und rentiert mit ca. 3,34 Prozent.

Seit Dänemark in seinem Kampf gegen eine Aufwertung der eigenen Währung Ende Januar die Ausgabe von Staatsanleihen gestoppt hat, sind die bereits emittierten Titel noch begehrter. Gefragt war diese Woche unter anderem ein bis 11/2023 laufendes Papier A1G88A), das bei einem Kurs von ca. 113,00 Prozent nahe dem Zwölfmonatshoch lediglich eine Null-Rendite abwirft. Die Rendite ist allerdings hierbei der kleinste Beweggrund, denn die Anleger hoffen, von einer Aufwertung der dänischen Krone zu profitieren. Ganz nach dem Vorbild des Schweizer Franken. Aber hierzu sei angemerkt, dass sich Geschichte nur selten wiederholt!

Der Markt will einfach an einen Erfolg von Minsk glauben

Es wäre ja schon ein Erfolg, wenn die Ukraine-Konferenz in Minsk einen dauerhaften Waffenstillstand zur Folge hätte. Wie aber schafft man es, eine für alle Seiten gesichtswahrende Friedenslösung zu finden? Denn die Alternative Krieg kann nicht wirklich als „gesichtswahrend“ gelten.

Am Verlieren sind seit geraumer Zeit freilich schon mehrere Seiten. Neben den zahlreichen Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung sind dies die direkt beteiligten Parteien Russland und die Ukraine, deren Währungsreserven dahinschmelzen, wie die Alpengletscher angesichts der Erderwärmung. So waren Russlands Reserven bereits im Dezember unter die 400-Milliarden-US-Dollar-Marke gerutscht und liegen nun bei 325 Milliarden US-Dollar. Die Währungsreserven der deutlich kleineren Ukraine sackten im Dezember um rund 15 Prozent auf 6,4 Milliarden US-Dollar ab.

Russland wird wohl auch noch aus einer weiteren Krise als Verlierer hervorgehen. So geht nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) die herrschende Ölmarkt-Krise vor allem zulasten Russlands und der arabischen Länder. Russland sehe sich einem absoluten Sturm von niedrigen Preisen, Sanktionen und Währungsschwankungen ausgesetzt, schreibt die IEA. Der russische Rohöl-Tagesausstoß wird demnach bis 2020 um 560 000 Barrel sinken.

Diese Krisenstimmung hat längst auf den Rentenmarkt für russische Staatsanleihen übergegriffen. So notiert ein in Euro begebener Bond der Russischen Föderation A1HQXU) bei 89,00 Prozent, liegt damit aber über seinem Ein-Jahrestief von 84,805 Prozent, das am 17.12. erreicht wurde. Ähnlich ist die Situation bei länger laufenden Titeln, wie eine in US-Dollar notierte Staatsanleihe aus Moskau A1HQXY) mit Fälligkeit 9/2023 zeigt. Dieser Bond notiert derzeit bei rund 88,00 Prozent. Auch hier zeigt die Tendenz nach oben, nachdem das Zwölfmonatstief am 16.12. mit 81,25 Prozent erreicht wurde. Diese Entwicklung kann auch ein Indiz dafür sein, dass der Markt an einen Erfolg des Gipfels von Minsk einfach glauben will.

Österreichs Beteiligungen bergen Verbindlichkeiten – und erhöhen die Schulden

Bereits Ende 2011 wurde im Rahmen des neuen EU-Stabilitätspakts beschlossen, die finanziellen Verflechtungen der Mitgliedsstaaten bezüglich Beteiligungen, Haftungen, Verbindlichkeiten und Schulden in staatlichen Unternehmen transparenter zu machen. Dies ist nun im Falle Österreichs geschehen, und das Ergebnis gibt Anlass zu kritischer Nachfrage. Aber zuerst der Reihe nach.

Österreich hat sich bisher stets auf den offiziellen Schuldenstand von z.B. ca. 264 Milliarden Euro per Ende des dritten Quartals 2014 berufen. Zu diesen Schulden sind allerdings aufgrund der neuen EU-Verordnung 116 Milliarden Euro zu addieren, die sich aus Beteiligung des Staates an zahlreichen Betrieben ergeben. Der größte Teil dieser Verbindlichkeiten rührt aus Beteiligungen der Länder her. Diese sind seit Jahren insbesondere an Banken beteiligt, was Anlass gibt, auch den Schuldenstand in Deutschland kritisch zu hinterfragen. Denn auch in Deutschland sind viele Länder an Kreditinstituten beteiligt, die im Rahmen der Finanzmarktkrise mit hohen Summen gestützt werden mussten.

Somit ist die Frage erlaubt, ob es sich hierbei um ein österreichisches Phänomen oder um ein nicht an Landesgrenzen endendes Problem handelt. Deutschland das ebenso wie die Niederlande, Frankreich und viele andere Staaten ihrer Finanzbranche zu Hilfe eilte, würde somit in einem anderen Licht gesehen werden. Diese Betrachtungsweise ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber angesichts der Vielzahl von Rettungspaketen, Bürgschaften und nicht zuletzt der Haftungsregelungen innerhalb des Währungsraums sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) wird kein vollumfängliches Bild geliefert. Dies wäre nur möglich, wenn Staaten wie Unternehmen bilanzieren und alle Bürgschaften unterm Strich ausweisen würden.

Moody’s sieht Gefahren für kleine Versicherer

Dauerhaft niedrige Zinsen und eine schärfere Regulierung gefährden nach Ansicht der Ratingagentur Moody’s kleine deutsche Lebensversicherer. Einige kleinere Gesellschaften weisen demnach eine zu geringe Kapitalausstattung auf, um die Anforderungen der neuen Richtlinie Solvency II zu erfüllen. Die Zeit drängt: Denn dieser Zustand muss nach Überzeugung von Moody’s noch vor Inkrafttreten der neuen Regeln im Jahr 2016 behoben werden. Ein Zusammenbruch eines oder mehrerer Lebensversicherer auf dem deutschen Markt könnte einen Reputationsschaden für die gesamte Branche bedeuten, warnt die Ratingagentur.

Bleibt zu erwähnen, dass der deutsche Versicherungsverband GDV die Befürchtungen von Moody’s für übertrieben hält. So hat eine Erhebung der deutschen Finanzaufsicht BaFin zu Solvency II laut GDV gezeigt, dass die deutsche Lebensversicherungsbranche den Einstieg in dieses künftige Aufsichtsregime bewältigen werde. Man wird sehen.

Ölgesellschaften suchen institutionelle Anleger

Auch in dieser Handelswoche legten die namhaften Unternehmen ausschließlich Neuemissionen mit einer Mindeststückelung von 100.000,– Euro auf. So sammelte das norwegische Ölunternehmen Statoil insgesamt 3,75 Milliarden Euro mittels vier unterschiedlicher Anleihen ein. Einmal 500 Millionen Euro mittels eines Floaters (3-Monats-Euribor +20 BP) zu pari und einer Endfälligkeit am 17.08.2019 (A1ZWZK), 1 Milliarde Euro als Anleihe bis 2023, 1,25 Milliarden Euro bis 2027 und 1 Milliarde Euro bis 2035. Die am 17.02.2023 endfällige Tranche A1ZWZL) ist mit einem Kupon von 0,875 Prozent ausgestattet und wurde zu einem Kurs von 99,846 Prozent begeben. Dies entsprach einem Emissionsspread von +33 bps über Mid Swap. Die Anleihe bis 17.02.2027 A1ZWZM) verfügt über einen jährlichen Kupon von 1,25 Prozent. Bei einem Ausgabepreis von 99,878 Prozent entsprach dies einem Spread von +43 bps über Mid Swap. Die lang laufende Tranche bis 17.02.2035 A1ZWZN) hingegen wurde mit einem Kupon von 1,625 Prozent aufgelegt. Der Emissionspreis von 98,871 Prozent bedeutete einen Emissionsspread von +60 bps über Mid Swap.

Dies war aber nicht das einzige Ölunternehmen, das sich am Kapitalmarkt aktiv zeigte. Auch das britische Unternehmen BP legte zwei Anleihen über jeweils 1,25 Milliarden Euro auf. Die erste Tranche (XS1190973559) ist mit einem Kupon von 1,109 Prozent versehen und am 16.02.2023 endfällig. Der Emissionspreis von 100 Prozent entsprach einem Emissionsspread von +55 bps über Mid Swap. Die zweite Tranche (XS1190974011) ist mit einem Kupon von 1,573 Prozent ausgestattet. Der Emissionskurs von 100 Prozent kommt einem Spread von +75 bps über Mid Swap gleich.

Aber auch der Flughafen Heathrow platzierte am Kapitalmarkt eine Anleihe im Volumen von 750 Millionen Euro, die am 11.02.2030 endfällig sein wird. Ausgestattet mit einem Kupon von 1,5 Prozent wurde die Anleihe bei einem Kurs von 98,952 Prozent begeben, was einem Emissionsspread von +63 bps über Mid Swap entsprach.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.

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© 12. Februar 2015