Markttechnik: Allzeithoch kein Tabu mehr

6. Juli 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Der rasante Anstieg des DAX in der vergangenen Woche hat auch so manchen technischen Analysten überrascht. Mit einem Plus von 4,2 Prozent hatte sich das deutsche Aktienbarometer nach der erlösenden Zustimmung des griechischen Parlaments am Mittwoch ins Wochenende verabschiedet. Am Montag folgten weitere Gewinne, seitdem tritt der DAX auf der Stelle. Nach Ansicht vieler Charttechniker ist damit der Ausbruch aus der über Monate währenden Seitwärtsspanne gelungen. Alte Hochs seien wieder in Reichweite.

HSBC Trinkaus & Burkhardt hofft etwa auf ein „Wiedersehen mit dem bisherigen Jahreshoch bei 7.600 Punkten“. Laut Commerzbank hat sich zwar bereits eine leicht überkaufte Lage eingestellt, „diese sollte den Index aber nicht daran hindern, vielleicht nach einer kurzen Pause, die alten Hochs ins Visier zu nehmen.“ Laut Christian Schmidt von der Helaba muss der Bruch der 7.330er-Marke nochmals bestätigt werden. „Gelingt dies, wären die Chancen für einen neuen Angriff auf das alte Jahreshoch recht gut.“ Die Charttechniker von BNP Paribas sind etwas skeptischer: „Die Seitwärtsphase von 7.000/7.600 seit Februar ist weiterhin intakt, bis das Gegenteil, ein Anstieg über 7.600 oder ein Rückfall unter 6.900, bewiesen ist.“

Erfolgreicher Durchbruch nach oben


Henke

Christian Henke von der WestLB gehört zu den Optimisten, er rechnet für die kommenden Monate mit weiter anziehenden Notierungen. „Zwischen Ende Mai und Ende Juni hat der DAX mehrmals die horizontale Unterstützungszone bei 7.040/7.090 Punkten getestet“, erläutert der technische Analyst. Ausbrüche nach oben seien zweimal an der Widerstandslinie bei 7.230 Punkten gescheitert. Nach dem letzten erfolgreichen Test der Schiebezone Ende Juni sei der DAX aber abgeprallt und habe die Haltelinie bei 7.230 Punkten signifikant nach oben durchbrochen. „Dies kam auf Tagesbasis einem neuen Kaufsignal gleich“, erklärt Henke. Kurze Zeit darauf sei auch die waagerechte Trendlinie bei 7.360 Punkten überwunden worden.

Der DAX strebt Henke zufolge nun den Widerstand bei 7.600 Punkten an. „Diese Chartmarke bildet die Oberseite der Seitwärtsphase. Nach unten wird die Preisspanne durch die Unterstützungszone bei 7.040/7.090 Punkten begrenzt.“ Oberhalb der Marke bei 7.600 sei dann das psychologisch wichtige Niveau bei 8.000 Zählern das erste Ziel. Anschließend könne das historische Hoch vom Juli 2007 in Angriff genommen werden.

Noch einige Konsolidierungstage


Szola

Auch Karen Szola, Charttechnikerin für Euro am Sonntag und finanzen.net, sieht noch Potenzial nach oben, auch wenn sie das Erreichen des Allzeithochs für dieses Jahr nicht erwartet. Mit dem Anstieg bis zur horizontalen Hürde bei 7.442 Punkten habe der DAX sein erstes Etappenziel auf dem Weg zum alten Jahreshoch vom Mai erreicht, erläutert sie. Dem sei eine wochenlange Bodenbildung über der Haltezone bei 7.000 Zählern vorausgegangen, die mit dem Sprung über die horizontale Barriere bei 7.242 Punkten, dem Reaktionshoch von Anfang April, ihren Abschluss gefunden habe. „Der DAX hat seine Anstiegschance bis zum Widerstand bei 7.442 Zählern, dem Februarhoch, voll ausgeschöpft“, meint Szola. Aufgrund der nun wieder überkauften Trading-Indikatoren könnten vor dem Überwinden dieses Hindernisses und dem Anstieg bis zum Jahreshoch noch einige Konsolidierungstage anstehen. „Dabei würde der Bereich zwischen 7.320 und 7.310 Punkten ein sinnvolles Konsolidierungsziel darstellen.“

Szola geht davon aus, dass der DAX die ehemalige Unterstützung bei 7.442 Punkten zurückerobern und dann bis zum Jahreshoch bei 7.600 Zählern steigen wird. „Mit dem Ausbruch darüber gibt es weiteres Potenzial bis auf rund 7.800/7.850 Punkte“, ergänzt sie. Ein Anstieg bis in die Region des Allzeithochs hält sie für dieses Jahr aber nicht für wahrscheinlich. „Der Grund hierfür sind die nun vermehrt stattfindenden Mammut-Börsengänge wie LinkedIn, Glencore, Groupn, Twitter und Facebook. In der Vergangenheit kam es nach solchen gewaltigen IPOs mit zeitlicher Verzögerung zu Trendwenden am Aktienmarkt.“

Investoren wieder etwas zurückhaltender

Die Stimmung der Investoren hat sich unterdessen wieder etwas verschlechtert, wie die aktuelle Sentimenterhebung der Börse Frankfurt ergibt, liegt aber immer noch klar im optimistischen Bereich. Der Bull/Bear-Index für die DAX-Werte geht von 70,6 auf 65,6 Prozent zurück, 9 Prozent der bislang optimistisch gestimmten Anleger sind ins Lager der Unentschiedenen übergewechselt. Auch bei den Technologiewerten ist die Stimmung nicht mehr ganz so euphorisch wie in der Vorwoche: Hier sinkt der Bull/Bear-Index von 72,9 auf 67,1 Prozent. Der Index misst das Maß an Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Was es bedeutet, können Sie ab 17 Uhr bei boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.

© 6. Juli 2011/Anna-Maria Borse