Markttechnik: Atempause oder Trendwende?

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10. Oktober 2012. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Dass sich der DAX nach den rasanten Kursgewinnen von Juni bis Mitte September zuletzt eher schwächer präsentiert hat, wird von technisch orientierten Analysten ganz unterschiedlich interpretiert: Einige sehen eine Trendwende gekommen, für andere handelt es sich nur um eine kurzfristige Korrektur im intakten Aufwärtstrend. Die noch vor einer Woche erwarteten neuen Jahreshochs scheinen aber erst einmal vom Tisch zu sein.

Christoph Geyer von der Commerzbank befürchtet eine Kater-Stimmung: Eine weiter anhaltende Schwächephase könne den DAX bis in den Bereich um 7.000 Punkte drücken, was dann zunächst aber nur einer Konsolidierungsbewegung im Aufwärtstrend entspräche. „Erst ein Anziehen der Umsätze und ein Unterschreiten der nächsten Unterstützungslinie und damit auch der seit Juni bestehenden Aufwärtstrendlinie bei derzeit rund 7.000 Zählern würde ein Ende der Party bedeuten.“ Tendenziell werde es im Oktober aber weiter seitwärts laufen, resümiert der Charttechniker.

Langfristige Trendwende eingeleitet?

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Deppermann

Für Klaus Deppermann von der BHF-Bank spricht hingegen einiges dafür, dass es sich bei den jüngsten Kursrückgängen nicht nur um ein kurzfristiges Phänomen handelt. „Die Zyklenanalyse für den amerikanischen Markt zeigt, dass in der Vergangenheit 7 von insgesamt 14 langfristigen Trendwechseln in der ersten Oktoberhälfte stattgefunden haben“, erklärt der technische Analyst. „Besonders beim Nasdaq, aber auch beim S&P 500, ist es am 5. Oktober wahrscheinlich nun abermals zu solch einer langfristigen Trendwende gekommen.“ Die vergangenen Tage bestätigten die Einschätzung.

DAX steht vergleichsweise gut da

Für das deutsche Aktienbarometer sei die charttechnische Situation zwar noch etwas besser, doch auch hier ist Deppermann nicht viel optimistischer. „Sollte der DAX unter 7.000 Punkte fallen, haben wir auch hier die Trendwende gesehen.“ Zusätzlich wiesen zahlreiche technische Indikatoren, etwa der RSI, negative Divergenzen auf. Die Stimmungsindikatoren böten hingegen kein klares Bild, da die Ergebnisse, je nach Umfrage, derzeit sehr unterschiedlich ausfielen.

Deppermann weist allerdings darauf hin, dass aufgrund der massiven Liquidität an den Aktienmärkten das Funktionieren technischer Indikatormodelle zunehmend in Frage gestellt werden müsse. Die Liquidität schalte konjunkturelle und technische Indikatoren immer mehr aus. „Angesichts der massiven Interventionen der Notenbanken in Europa, Japan und den USA fragt man sich, ob die Aktienkurse überhaupt noch fallen können beziehungsweise fallen dürfen.“

Kein größerer Einbruch

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Salomon

Stefan Salomon erwartet aus längerfristiger Sicht unterdessen eine anhaltende Seitwärtsbewegung an den Aktienmärkten. Die Monats- und Quartalskerzen zeigten eine positive Grundstimmung, erklärt der freie Analyst, der vor allem auf die Candlestick-, also Kerzenchart-Analyse setzt. „Dass der S&P 500 zuletzt ein Doppeltopp gebildet hat, stellt zwar ein gewisses Risiko dar. Sollte der Index unter 1.426 Punkte fallen, könnte es noch weiter nach unten auf 1.400 oder 1.380 Zähler gehen.“ Dadurch könne auch der DAX in Mitleidenschaft geraten. Für das deutsche Aktienbarometer stünden bei einem Fall auf 6.800/6.900 Punkte aber „starke Hände“ bereit, die für eine Erholung sorgen sollten.

Kurzfristig halte sich der DAX ohnehin stabil, Ende September und Anfang Oktober habe es zwar viele schwarze Kerzen gegeben, aber auch immer wieder weiße. „Lange schwarze Kerzen fehlten allerdings, von einem klaren Angebotsüberhang kann also nicht die Rede sein.“ Von einer weißen Kerze spricht man, wenn der Schlusskurs höher liegt als der Eröffnungskurs, im umgekehrten Fall sind es schwarze Kerzen.

Warten auf eindeutige Signale

Darüber hinaus geht Salomon davon aus, dass sich die großen Anleger in den kommenden Wochen noch zurückhalten werden und verweist auf die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen, das eventuelle Auslaufen von Steuergsetzen in den USA Ende des Jahres und die gerade begonnene Berichtssaison. „Erfahrungsgemäß müssen die Hälfte oder zwei Drittel der Berichte vorliegen, bevor sich Investoren in die eine oder andere Richtung entscheiden.“

Anlegerlaune sinkt

Die Anleger zeigen sich im Übrigen wieder viel skeptischer als in der Vorwoche, wie die Umfrage der Börse Frankfurt bei 300 aktiven Investoren ergeben hat. Der Bull/Bear-Index sinkt deutlich von 57,2 auf 48,3 Punkte und liegt damit wieder unterhalb der Optimisten von Pessimisten trennenden 50 Punkte-Marke. 11 Prozent der Befragten sind ins Bärenlager gewechselt, insgesamt sind die bearish eingestellten Investoren mit 42 Prozent somit wieder die stärkste Fraktion. Nur noch 39 Prozent erwarten steigende Kurse, 19 Prozent sind neutral eingestellt.

Der Bull/Bear-Index misst den absoluten Optimismus im Markt. Dafür werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit den neutral Gestimmten gewichtet. Werte unter 50 Punkte zeigen eine pessimistische Gesamtstimmung der Anleger. Wegen des Feiertags wurde die Marktstimmung bereits gestern erhoben. Die Analyse lesen Sie auf boerse-frankfurt.de.

© 10. Oktober 2012 / Anna-Maria Borse