Neuemissionen: Skepsis und Underpricing bremsen

Kaserer
Kaserer, TUM

3. Mai 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Mit insgesamt sieben IPOs im Prime, General und Entry Standard hat sich die Emissionstätigkeit in den ersten vier Monate des Jahres 2011 recht gut entwickelt, zumal es im ersten Quartal eines Jahres aus saisonalen Gründen in der Regel weniger IPOs gibt.

Dennoch zeichnet sich in diesem Zeitraum noch keine entscheidende Verbesserung der Stimmung an den Primärkmärkten ab. Hierfür könnten auch die Unsicherheiten in Verbindung mit den Ereignissen in Japan und der europäischen Staatsanleihenkrise verantwortlich sein.

Tatsächlich verschlechtert sich die Stimmung am IPO-Markt, was in einem Rückgang des Deutsche Börse IPO-Indikators von 34,65 auf 33,61 Punkte zum Ausdruck kommt. Dies lässt sich sowohl auf einen Rückgang des wahrgenommenen Underpricings als auch auf einen Rückgang des IPO-Klimas zurückzuführen.

Abbildung 1: IPO-Ampel

Weiterhin rückläufige Volatilität …

VDAX

Der VDAX gibt die vom Terminmarkt zu erwartende Schwankungsbreite des DAX-Index für die nächsten 45 Tage an. Grundlage für die Berechnung sind die DAX-Optionspreise und damit die implizite Volatilität, d.h. die zurzeit vom Markt erwartete Intensität zukünftiger Preisschwankungen.

Historische Erfahrungen zeigen, dass die Aktivitäten im Primärmarkt zyklischen Bewegungen unterliegen. Welche Faktoren solche Zyklen auslösen, ist zwar umstritten, dennoch lassen sich gewisse Muster erkennen. Eines dieser Muster besteht darin, dass ein Rückgang der Preisvolatilität den Primärmarkt belebt. Dieses Muster spiegelt sich auf vielen Märkten wider, so auch in Deutschland, wie Abbildung 2 zeigt.

Trotz der anhaltenden Probleme auf den europäischen Staatsanleihemärkten bleibt der rückläufige Trend in der Volatilität auch im ersten Quartal 2011 robust. Dies sollte sich eigentlich weiterhin positiv auf Börsengänge auswirken. Ein Blick auf Abbildung 2 zeigt aber, dass es möglicherweise noch einige Monate braucht, bis die Marktteilnehmer von der Robustheit dieser Entwicklung überzeugt sind.

Abbildung 2: Anzahl IPOs und VDAX


Blaue Linie: VDAX; Rote Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)

… und stabiler Aufwärtstrend im DAX geben ein positives Bild

Ein zweites Muster besteht im Zusammenhang zwischen Kursentwicklung und Börsengängen. Auch hier zeigen Analysen, dass einem Aufschwung am Primärmarkt in der Regel ein Kursaufschwung an der jeweiligen Börse vorausging. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 3 bestätigt. Deshalb sollte sich neben der abnehmenden Volatilität auch der – trotz weltwirtschaftlicher Unsicherheitsfaktoren – sehr stabile Aufwärtstrend im DAX positiv auf die Primärmärkte auswirken.

Abbildung 3: Anzahl IPOs und DAX (indexiert)


Blaue Linie: DAX; rote Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)

Wahrgenommenes Underpricing allerdings leicht rückläufig …

Underpricing

Man spricht von Underpricing, wenn der erste Börsenkurs über dem Emissionspreis festgestellt wird. Das Underpricing-Sentiment gibt wieder, wie erfolgreich die IPOsin der Vergangenheit aus Sicht der Marktteilnehmer gewesen sind. Dazu wird die wahrgenommene Differenz zwischen Emissionspreisen und den ersten Marktpreisen ermittelt. Die Stärke der Wahrnehmung ist nicht rein rational, sondern wird von Faktoren wie dem zeitlichen Abstand begrenzt.

Ein weiteres wichtiges Element in der Entwicklung der Primärmärkte sind die Preissignale, die von durchgeführten IPOs ausgehen. Hierbei spielt insbesondere das Underpricing eine Rolle, weil es ein Signal für die Kaufbereitschaft der Investoren ist und gleichzeitig eine sich selbst verstärkende Feedback- Schleife bei den Investoren auslöst.

Tatsächlich lässt sich das Underpricing als Prognose für die Primärmarktaktivität einsetzen. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 4 anhand des Underpricing-Sentiment dargestellt – der Durchschnitt des Underpricing aller IPOs der vergangenen 18 Monate mit einer zeitabhängigen Gewichtung. Aufgrund der sehr geringen Zahl von IPOs sollte diese Größe allerdings nicht überinterpretiert werden. Ende 2009 lag dieses Underpricing-Sentiment bei rund 5 Prozent, Ende 2010 bei 0 Prozent. Nach den jüngst durchgeführten IPOs ist es auf -2 Prozent gesunken.

Zwar muss man in Erwägung ziehen, dass es auf den Primärmärkten zu Veränderungen in den Preisfindungsprozessen gekommen sein könnte, durch die es möglicherweise einen langfristig rückläufigen Trend im Underpricing gibt. Dennoch gibt das negative wahrgenommene Underpricing aufgrund der historischen Erfahrungen nicht für eine starke Zunahme der Börsengänge in den kommenden Monaten.

Abbildung 4: Underpricing-Sentiment und Anzahl an IPOs


Blaue Linie: Underpricing-Sentiment; Graue Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)

… ebenso wie das IPO-Klima

Die Stimmung am Primärmarkt wird mit Hilfe einer Befragung von Entscheidungsträgern bei Banken, Emittenten und Investoren von der Deutschen Börse erhoben. Die Ergebnisse dieser Befragung werden in einem Indexwert, dem so genannten IPO-Klima zusammengefasst. Der historische Verlauf dieses IPO-Klimas ist in Abbildung 5 dargestellt. Wie man sehen kann, spiegeln diese subjektiven Einschätzungen der Entscheidungsträger die tatsächliche Entwicklung am Primärkmarkt gut wieder. Zwischen März 2009 und Dezember 2010 gab es einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Dieser wurde im Berichtszeitraum erstmals wieder durchbrochen.

Abbildung 5: IPO-Klima und Anzahl IPOs


Blaue Linie: IPO-Klima; grüne Balken: Anzahl IPOs (gleitender 3-Monatsdurchschnitt)

Marktteilnehmer schätzen die IPO-Entwicklung vorsichtig ein

Ursächlich für diese Entwicklung ist eine gewisse Skepsis gegenüber der Entwicklung der Primärkmärkte seitens Emittenten und Banken. Hingegen zeigt sich die Stimmung der Investoren unverändert. Dies kann man in Abbildung 6 erkennen.

Betrachtet man die Befragungsergebnisse genauer, lässt sich erkennen, dass vor allem Misstrauen hinsichtlich der Entwicklung der Aktienpreise das IPO-Klima verschlechtern. Zwar reflektiert eine solche Befragung immer nur eine Momentaufnahme und gerade im zurückliegenden Berichtszeitraum sollten die Ereignisse in Japan eine Rolle gespielt haben. Dennoch zeigt Abbildung 6, dass der seit März zu beobachtende positive Trend sich zumindest in den vergangenen Monaten abgeschwächt hat.

Abbildung 6: IPO-Sentiment von Investoren, Emittenten und Banken


Grüne Linie: Investoren, blaue Linie: Emittenten, orange Linie: Banken

© 3. Mai 2011 / Christoph Kaserer, TU München