Roth: "Kontrollierte Umschuldung oder Chaos"

Roth
Roth

9. Juni 2011. FRANKFURT (Börse Frankfurt). „Ohne einer weiteren Auszahlung von Mitteln vor Mitte Juli stehen wir uns der realen Gefahr einer ersten ungeordneten Zahlungsunfähigkeit in der Eurozone gegenüber“, schrieb Schäuble in einem Brief an die Kollegen der Eurozone, des Internationalen Währungsfonds und an die Europäische Zentralbank.Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Gefahr einer unkontrollierten Insolvenz Griechenlands und schlägt eine Umschuldung durch Laufzeitverlängerung unter der Beteiligung privater Gläubiger vor.

Es ist höchste Zeit, dass man sich den Problemen stellt. Hätte sich der IWF und die Kollegen der Eurozone nicht vor zwei Wochen geeinigt und der IWF eine weitere Auszahlung der im Juni fälligen Abschlagszahlung an Athen abgelehnt, wäre Griechenland bereits pleite. Doch die Auszahlung wird wohl nun erfolgen. Die Zeit, die sich die Politiker der Eurozone mit den Krediten für Griechenland erkauft haben, läuft jetzt aus. Und man hat sie nicht ausreichend genutzt.

Seit über einem Jahr drücken sich unsere Euro-Politiker vor einer belastbaren und dauerhaften Lösung der griechischen Schuldenkrise. Es wurden Hilfspakete in Form von Krediten geschnürt, die das Problem nicht mal im Ansatz lösten, sondern das Ende nur hinauszögerten. Das Prinzip Geld für Hoffnung herrscht dabei vor. Aber Hoffnung auf was? Dass die Griechen durch ein strammes Sparpaket ihre Schulden alleine in den Griff bekommen würden? Das war von Beginn an äußerst zweifelhaft, da sie ihre Wirtschaft dabei zwangsläufig – ohne die Chance auf eine Währungsabwertung – überproportional schwächten. So sparten die Griechen in der Krise und verschlimmerten ihre Probleme nur noch. Griechenland hängt, ohne Chance auf Rückkehr an den Kapitalmarkt, am Tropf der Eurozone und spart sich unausweichlich ins politische und wirtschaftliche Chaos. Sie könnten ganz Europa vielleicht mit in den Abgrund ziehen, wenn nicht endlich der Kern des Problems angegangen wird. Was Griechenland braucht, ist eine massive Entlastung des griechischen Haushalts, um die Wirtschaft zu stärken und so die finanzielle Unabhängigkeit Griechenlands wiederherzustellen.

Das Ziel ist, Griechenland vom EU-Tropf zu lösen und finanziell wieder auf eigene Füße zu stellen. Griechenlands Wirtschaft braucht einen „Marshallplan“. Einen Maßnahmenkatalog, der auch durch staatliche Stimulanz das Land aus der Rezession heraus führt. Dazu braucht man, neben Finanzhilfen auch eher Steuersenkungen als Erhöhungen. Auf Sicht müssen sich die Griechen selbst aus der Rezession befreien, unter der das Land derzeit leidet und sich am Kapitalmarkt wieder selbst refinanzieren können. Das geht nur, wenn man den Griechen wieder Luft zu atmen gibt und sie nicht mit weiteren Sparpaketen erstickt. Durch eine geordnete Umschuldung gilt es den Griechen haushaltspolitischen Raum zu geben, um sich aus der Klemme zu befreien. Dabei gibt es keinen Königsweg, denn alle Lösungsansätze bieten auch Risiken für die Finanzmärkte. Griechenlands Schulden und vor allem die Zinslast müssen drastisch reduziert werden, damit der Staatshaushalt wieder Raum für die Stimulanz der Wirtschaft erhält. Das schließt eine kontinuierliche Privatisierung von Staatseigentum und eine weitere Konsolidierung der Staatsausgaben nicht aus. Nach meiner Meinung verbleiben jetzt nur noch zwei Möglichkeiten: entweder die kontrollierte Umschuldung oder chaotische Bankrott.

Eine kontrollierte Insolvenz ist dem absehbaren Chaos vorzuziehen. Bei einer „Sanften Umschuldung“ käme es zu einer Laufzeitverlängerung griechischer Anleihen, die selbstverständlich auch von privaten Gläubigern mitgetragen werden muss. Wichtig dabei ist: Es muss zu einer deutlichen Entlastung der Zinslast kommen, in dem man die Zinsen massiv senkt. Die meisten Experten halten eine derartige Lösung für praktikabel und finanzmarktverträglich. Sprich, es würde nicht zu unkontrollierten Verwerfungen an den Börsen kommen. Zusätzlich müsste die Eurozone den Griechen den Übergang finanzieren, bis sie wieder vom Kapitalmarkt Geld erhalten. Die Finanzmärkte hatten in der Vergangenheit in solchen Fällen meist ein schlechtes Gedächtnis. Nach ein paar Monaten und zu attraktiven Konditionen wäre es denkbar, dass das verlorene Kind wieder zurückkehren darf. Nur müsste dafür die griechische Wirtschaft und die Staatskasse Erfolge vorweisen können.

Ob allerdings eine „Sanfte Umschuldung“ genügt um die Griechen ausreichend von den Lasten zu befreien, wird von manchen Marktbeobachtern bezweifelt. Aber alternativ dazu gäbe es nur noch die „Holzhammer Methode“. Das Chaos. Eine Pleite und Umschuldung Griechenlands durch einen sogenannter „Hair Cut“ würden den Finanzmärkten und der Weltwirtschaft den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Griechen würden ihre Schulden teilweise streichen, beispielsweise um 30 Prozent. Aus 100 Euro Investment würden 70 Euro. Das würde die Finanzmärkte großen Unsicherheiten aussetzen und Misstrauen säen. Wer wäre von dem „Hair Cut„ betroffen? Käme es zu Bankenpleiten? Die Risiken einer solchen Umschuldung – Lehman II – wären unüberschaubar. Portugal, Irland, Spanien könnten Griechenland folgen. Und was würde mit dem griechischen Finanzsystem passieren, das in einem solchen Falle wohl kollabierte? Der Euro wäre sicher einer Zerreißprobe ausgesetzt.

Es gibt keinen Königsweg in der Griechenlandkrise, aber bleibt Zeit, die Weichen für eine kontrollierte Umschuldung zu stellen. Der erste Lösungsweg wäre die „Sanfte Umschuldung“ mit der Beteiligung der Banken. Davon ist auch bereits ein Teil an den Börsen eingepreist. Der andere Weg, das Chaos zu verhindern, wäre die europäische Sozialisierung der Schulden einzelner Mitgliedsstaaten. Doch der Länderfinanzausgleich funktioniert nicht mal mehr in Deutschland.

© 9. Juni 2011/Oliver Roth

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.