Roths Lagebesprechung

Die Lage

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Roth

22. Mai 2014. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Risikoaffinität hat sich an den Kapitalmärkten schnell in Risikoscheu gewandelt. Zunächst entfachte die Aussicht auf weitere geldpolitische Maßnahmen der EZB dies- und jenseits des Atlantiks ein Kursfeuerwerk: Aktien- und Bondmärkte verzeichneten zwischenzeitlich deutliche Gewinne, Aktienindizes erreichten neue Höchststände. Die EZB stellte für die nächste Sitzung ein ganzes Bündel von Maßnahmen in Aussicht. Klotzen statt kleckern lautet wohl die Devise, die auch an den Rentenmärkten für Kurshochstände sorgte.

Die Erwartungen der Marktteilnehmer sind teilweise übertrieben. Einführung von Negativzinsen (Refinanzierungs-und Einlagesatz), volle Tenderzuteilung zum Festzins für Geschäftsbanken (normal ist Ratenzuteilung in Auktionen) Ein Wertpapier-Aufkaufprogramm wird ebenfalls heiß diskutiert. Dadurch entsteht natürlich auch ein gewisses Enttäuschungspotenzial, das sich aber zumindest an den Aktienbörsen im Rahmen hält, weil die Börsen keine Vorschusslorbeeren vergeben haben. Ganz im Gegensatz zu den Bondmärkten, die bis heute deutliche Kursgewinne zu verzeichnen haben.

Die jüngsten Kommentare von einzelnen Ratsmitgliedern der europäischen Notenbank haben erneut die Spekulationen über einen massiven geldpolitischen Einsatz in Euroland hochkochen lassen. Deflation dient hier als Begründung. Und was wäre, wenn die Deflationssorgen nicht nur in der EZB sondern auch in den USA berechtigt wären? Mit Blick auf die USA erscheint dies aber unwahrscheinlich. Die Wirtschaft wirkt stabil. Die jüngsten Daten zum Wirtschaftswachstum im Euroraum geben da mehr Anlass zur Sorge. Der geringe Zuwachs im 1. Quartal von nur 0,2 Prozent ist ausschließlich dem deutschen Wachstum zu danken. Die Schwergewichte Italien und Frankreich kommen hingegen nicht vom Fleck.

Durchwachsene Konjunkturdaten aus den USA zusammen mit schwachen aus dem Euroraum sorgten dafür, dass an den Kapitalmärkten Deflationsrisiken sukzessive eingepreist werden. Die Notenbanken sind gezwungen zu handeln. Und deshalb ist noch viel Luft nach oben.

Der Trend

Alles wieder zurück auf null. Nach kurzem Ausbruch konnten die Märkte das Rekordniveau nicht halten und verfielen wieder in Langeweile. Ein Sommerloch, das keines war. Denn schon bald werden die Kurse wieder in Bewegung geraten. Die EZB wird auf ihrer Sitzung im Juni handeln. Die Frage ist nur, welche Mittel eingesetzt werden.

Das bedeutet, dass wir uns weiterhin in einer Kursspanne zwischen 9.350 und 9.800 Punkten befinden. Das bleibt auch bis auf weiteres so. Diese Spanne kann man als Zocker spielen. Die EZB-Sitzung ist aber das Maß aller Dinge. Bereits einige Tage zuvor werden die Spekulation zunehmen und die Volatilität kehrt an die Börsen zurück.

Deshalb heißt es Pulver trocken halten, solange nicht klar ist, was die EZB plant. Ende Mai kommt wieder mehr Bewegung in die Märkte.

Der DAX wird sich vorerst wieder zwischen 9.400 und 9.800 Punkten bewegen.

von Oliver Roth, Close Brothers Seydler Bank AG.
© 22. Mai 2014

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de

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