Wochenausblick: Wenig Gegenwind

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16. März 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Aktien- und Rentenmärkte kennen derzeit nur eine Richtung. Für den deutschen Aktienindex gab es mit einem Plus von rund 3 Prozent in der vergangenen Woche ein erneutes Rekordhoch und heute kurz nach Handeleröffnung nahm der DAX die 12.000-Punkte-Schwelle.

Gleichzeitig markierten hiesige Staatsanleihen mit Renditen von unter 0,2 Prozen für zehnjährige Laufzeiten historische Zinstiefs. Der Start der sogenannten Quantitativen Lockerung der Europäischen Zentralbank ebnet den Weg. „Die Fantasie der Investoren macht derzeit nicht einmal mehr vor einer negativen Verzinsung der Bundesanleihen nach dem Schweizer Vorbild halt“, beobachtet Claudia Windt von der Helaba. Damit scheine das geldpolitische Doping vordergründig aufzugehen. „Die konjunkturelle Stimmung dreht zugunsten des Euroraums, die Renditespreads für Euroländer-Bonds laufen zusammen und der schwache Euro beflügelt zusätzlich die Wirtschaftskraft.“

Zumindest bei Bonds mit längeren Laufzeiten bleiben die Negativzinsen nach Ansicht von Stefan Mitropoulos kein Dauerzustand. „Insbesondere ausländische Investoren dürften sich angesichts des zuletzt beschleunigten Euroverfalls bei gleichzeitig unattraktiven Renditen deutscher Staatsanleihen tendenziell zurückziehen“, begründet der Helaba-Analyst. Ebenso würden sich vermutlich spekulative Anleger beizeiten abwenden.

Wirtschaftlicher Effekt fraglich

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Halver

Kurzfristig sind Renten und Aktien nach Auffassung von Windt weiterhin ein klarer Kauf. Auf längere Sicht bestünden indes mit anhaltendem Doping häufig einhergehende gesundheitliche Risiken. „Wir gehen davon aus, dass die realwirtschaftlichen Erfolge der EZB eher fraglich sind.“

Robert Halver von der Baader Bank sieht das ähnlich. Der wirtschaftliche Boden in wettbewerbsschwachen Regionen und Staaten sei schlichtweg nicht fruchtbar genug für umfangreiche Kreditvergaben. Das liege nicht zuletzt an einer zum Teil hartnäckigen Reformrenitenz. „Zudem verfügen unter anderem spanische Banken noch über hohe Kredit-Altlasten in ihren Bilanzen, für die sie kostbares Eigenkapital vorhalten müssen.“

Zinswettlauf nach unten in vollem Gange

Geldpolitik allein kann wirtschaftliche Probleme nun mal nicht lösen, zumal andere Notenbanker reagieren, wie Windt ergänzt. Viele kleinere Zentralbanken hätten die Zinsen schon gesenkt, und für diese Woche stünde mit der Schweizer Nationalbank eine weiterer Zinsschritt nach unten zur Diskussion. „Auch der chinesische Notenbankchef geht verbal auf Expansionskurs.“ Ob sich der anstehende Offenmarktausschuss der Federal Reserve in diesem Umfeld zu der erwarteten Zinswende durchringen könne, sei fraglich.  

Für Windt ist klar: „Wenn alle dopen, entscheidet am Ende das fundamentale Umfeld.“ Da dieses den Übermut an den europäischen Aktienmärkten kaum rechtfertige, könne die Katerstimmung schneller einsetzen als gedacht.

Bullen behalten die Oberhand

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Bauer

Charttechnisch müssen Anleger nach Ansicht von Gregor Bauer im nach wie vor übergeordneten DAX-Aufwärtstrend mit Korrekturen rechnen. Der nächste Unterstützungsbereich des deutschen Aktienbarometer liege dabei um 11.400 bis 11.500 Punkte, gefolgt von 10.600 bis 10.900 Punkte. „Die meisten Anleger werden diese Niveaus eher zum Kauf nutzen“, erwartet der unabhängige technische Analyst.

Im Vergleich zum US-amerikanischen Aktienmarkt laufe der DAX dem S&P derzeit voraus, und zwar in einem Maße, wie es seit März 2000 nicht mehr der Fall gewesen sei. „Damals fiel der US-Markt bereits, während der DAX die letzten Hochs erklomm.“ Auch den Abstand zur 200-Tage-Linie des deutschen Bluechip-Index beschreibt Bauer als Besorgnis erregend hoch. „Das sind zwar alles Alarmsignale, dennoch könnte sich der Spread sogar noch ausweiten.“

Denn die Ursachen für diese Entwicklung hätten weiterhin Bestand. Die hiesige Konjunktur laufe wie geschmiert, der Euro schwächele im Vergleich zum US-Dollar und die europäische Zentralbank habe die Geldschleusen weit geöffnet. „Zudem investieren immer mehr US-Anleger in Deutschland.“ Andererseits belaste der teure US-Dollar zunehmend den US-Export, und es gebe Zinserhöhungsphantasien.

Atempause in Sicht

Auch für Ulrich Wortberg steigt die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur. Allein die Tatsache, dass der DAX in den vergangenen vier Wochen etwa 1.200 Punkte zugelegt habe, lasse eine Konsolidierung überfällig erscheinen. „Klare Hinweise dafür gibt es bislang aber nicht“, meint der technische Analyst der Helaba. Die Trendfolge-Indikatoren seien weiterhin nach oben gerichtet, noch bewege sich die überkaufte Marktlage auf einem außergewöhnlich hohen Niveau. „Zudem ist der seit Februar bestehende Aufwärtstrend intakt.“ Die DAX-Unterstützungslinie verlaufe aktuell bei 11.379 Punkten. Knapp darunter befände sich das erste Retracement des jüngsten Aufwärtsimpulses.

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Dienstag, 17. März

11.00 Uhr. Deutschland: ZEW Indikator März. In Deutschland hat laut DekaBank die Hochstimmung wieder Einzug gehalten. Mit dem Rückenwind durch den gesunkenen Ölpreis und den abwertenden Euro habe die hiesige Konjunktur kräftig an Fahrt aufgenommen. Diese Dynamik behalte die Wirtschaft auch im ersten Quartal bei. Die Perspektiven seien viel versprechend, denn nach dem Start der quantitativen Lockerung in Euroland gerate die Gemeinschaftswährung noch weiter unter Druck. Die Aktien- und Rentenmärkte feierten dies mit Kursgewinnen. Kein Wunder also, dass die Konjunkturerwartungen der vom ZEW befragten deutschen Finanzmarktanalysten im März voraussichtlich weiter anziehen..

Mittwoch, 18. März

20.00 Uhr. USA: Veröffentlichung der Sitzungsprotolle des Offenmarktausschuss. Marktteilnehmer erwarten laut HSBC aktualisierte Projektionen der FOMC-Mitglieder hinsichtlich der Konjunktur und erhoffen sich einen Hinweis, ab wann mit einer Leitzinserhöhung zu rechnen ist. Der Zinsschritt setze allerdings nach jüngsten Äußerungen eine konjunkturell Datenlage voraus,  die „reasonable confident“ macht, dass die Inflation sich wieder der Zielmarke von 2 Prozent annähere. Laut HSBC-Analysten wird es vermutlich eine Änderung der „forward guidance“ zur Orientierung über die Ausrichtung der Geldpolitik geben. Damit würde der Ausschuss zukünftig auf aktuelle Konjunkturdaten flexibler reagieren können. Auf der FOMC-Sitzung am Mittwoch würden die US-Notenbanker aller Voraussicht nach die Formulierung „patient“ bezüglich einer Normalisierung ihrer Geldpolitik nicht mehr verwenden. Die Notenbanker könnten somit auf jeder FOMC-Sitzung von Juni an zu einem entsprechenden Zinserhöhungsschritt zu kommen.

Alle relevanten Termine sowie die aktuellen Daten kurz nach ihrer Veröffentlichung finden Sie auf boerse-frankfurt.de/termine.

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Von Iris Merker, Deutsche Börse AG

© 16. März 2015